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Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Titel: Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
Autoren: Elna Uterrmöhle
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Schlangenjagd eingeladen. Die mutigen Kurzbeiner stürzen sich in den Raum, sind aber nach zehn Sekunden wieder draußen. Wir schauen Camillo gespannt an. Die Übersetzung kommt prompt: „Keine Schlange zuhause. Sonst hätten sie gebellt.“ Aha.
    Knurrend stehen die Hunde jetzt vor der Außenmauer. Camillo übersetzt wiederum freundlicherweise: „Es gibt mehrere Stellen, an denen Schlange und Mäuse hineinschlüpfen können.“ Aha.
    Mich erinnert die Szenen an meine Großmutter. Die hatte einen Kanarienvogel, der einfach nur krächzte, aber sie, jedes Mal von Neuem ganz aufgeregt, übersetzte das Gekrächze stets als „Stettiner Straße 17“. Ihre Adresse.
     
    Camillo ergänzt noch, Schlangen würden nur nachts ihr Unwesen treiben. Morgens suchten sie einen Sonnenplatz und verdösten dort den Tag. Wir sollten die Jagd also nachts wiederholen. Aha.
    Unsere unerwünschte Trophäe, also die Schlangenhaut,  betrachtend, meint er fachkundig: Eindeutig eine Zornnatter. Aha.
    Der Nachhilfeunterricht bei Wikipedia ist keineswegs beruhigend.
    „Di e Zornnatter n( Colube r ) sind eine Gattung innerhalb der Familie der Nattern , die ihren Namen aufgrund ihrer aggressiven Abwehrbereitschaft erhalten haben. Werden sie festgehalten, setzen sie sich sofort durch Beißen und Würgen zur Wehr. Nach dem Zubeißen kauen sie häufig auf den ergriffenen Objekten. Dadurch können die größeren Arten unter ihnen stark blutende Bisswunden verursachen, allerdings sind Zornnattern ungiftig. Die Arten dieser Gattung sind in der Regel groß (bis zu 2 Meter lang) und kräftig, aber schlank. Der mittelgroße Kopf ist oval geformt und mit großen Schilden bedeckt, die Augen sind auffällig groß.“ Aha.
    Nachmittags kommen Enzo und Antonella vorbei. Ein Blick auf die Schlangenhaut genügt und beide sind überzeugt: Das ist eine Vierstreifennatter. „Grad vor ein paar Wochen“, so der Bauer, „habe ich eine im Hühnerstall erschossen.“ Drei Eier hätte sie gefressen und hätte mit den drei Huckeln im schlanken Körper sehr lustig ausgesehen. Ja, sehr lustig. Ein Huckel hätte auch eine Ratte oder ein Eichhörnchen sein können, übelegen sie, der sei höher gewesen. Aha.
    Als sie fort sind, recherchiere ich erneut bei Wikipedia. Die Vierstreifennatter erreicht eine Länge von bis zu 2,40 Metern. Sie bevorzugt steiniges, mit Büschen oder lichten Wäldern bestandenes Gelände, hat also bei uns ihr Paradies gefunden. Wunderbar. Sie klettert gerne auf Bäume, nimmt dort Vogelnester aus oder umschlingt ein Eichhörnchen, um es blitzschnell zu erdrosseln.  
    Aha, beisst also zumindest nicht. Bei der Wahl zwischen Pest und Cholera bin ich ab sofort  überzeugt, bei unserem Haustier handelt sich um eine Vierstreifennatter. Beim Entdecken des ganz und gar nicht niedlichen Tierchens auf der Weinpergola oder gar im Regal des Abstellraumes bleibt die Infarktgefahr zwar gleich groß, aber wenigstens wird man zuvor nicht durch hässliche Bisswunden verunstaltet. Ich gehe mal davon aus, dass ich als Würgeopfer zu groß bin.
     
    Zweite Krisensitzung. Wir wissen nicht, ob es sich bei unserem  Mitbewohner um eine Eierschlange oder Zornnatter handelt. Wir wissen nicht, ob der Besuch zur Häutung ein einmaliger Besuch war oder wir einen Dauergast fürchten müssen. Wir wissen nicht, wo genau er ein- und ausgeht. Kurz gesagt, wir wissen nichts.
    Fazit: Nur ein Verputzen der Natursteinmauer kann die Eingänge für Mäuse und Schlangen nachhaltig verschließen.
    Natürlich kam kurz der hässliche Gedanke auf, dass die Biester bei den ewig offenen Fenstern und Türen auch ins Haus kommen könnten. Viele unserer Nachbarn hatten schon dieses zweifelhafte Vergnügen.
    Vielleicht sollten wir im Gästezimmer einen Eimer mit Schäufelchen aufstellen. Und dazu ein Schild malen: „Schlangen bitte einfangen und weit weg vom Haus tragen.“
    Oder müssten wir uns dann über vorzeitig abreisende Freunde wundern?
    Das wäre schade. Gäste sind wunderbar. Vorausgesetzt, sie passen sich dem Verhaltenskodex der Ausgewilderten an.
     
    Paragraph eins der toskanischen Benimmfibel für Besucher lautet zum Beispiel: Du musst alles Selbstgemachte bewundern, egal wie hudelig und schludrig es gemacht wurde.
     
    Ausrufe wie „das habt ihr aber schön gemacht!“ sind sehr willkommen. Die Begeisterung muss allerdings in Variationen Ausdruck finden. Immer der gleiche Ausruf? Das würde sogar uns auffallen.
     
    Dieser Tipp gilt zum Beispiel auch für den schiefen Stuhl.
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