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Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Titel: Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
Autoren: Elna Uterrmöhle
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Liebliches Vogelgezwitscher, unseren stöhnenden Motor und das hässliche Kreischen, wenn die Bodenplatte wieder über einen Felsen schrammte.
    Nach vier Kilometern und 25 Minuten duckt sich auf der linken Seite hinter Bäumen ein Häuschen. Wir sind angekommen. In einer anderen Welt.
    Einer Welt, in der alles schöner ist. Der Himmel ist blauer, die Sonne strahlender, die Landschaft aufregender, die Tomaten leckerer und die erzählten Geschichten spannender.
    Schon das Duschen wird zur Anekdote. Kaltes und warmes Wasser werden in einer Gießkanne gemischt. Zwischen Bäumen und Blumentöpfen ziehen wir uns aus, betreten eine hübsche Naturstein-Nische ohne Außentür und hieven die Gießkanne hoch an einen Fleischerhaken. Genial ist der doppelt geknickte Griff. Erste Stufe: Nassmachen, shampoonieren, einseifen. Kein Wasser mehr. Zweite Stufe: Kanne in den zweiten Knick schieben, abduschen. Verbrauch für zwei Personen: Nur zwölf Liter.
    Dem Klo haben wir spontan den Titel „Schönste Toilette der Toskana“ verliehen. Mitten im Olivenhain drei Holzwände, ein Dach und ein WC mit gelbem Holzdeckel. Drumherum rote Geranien und üppiger Farn. Nun sitzt Du dort und genießt dank fehlender vierter Wand den freien Blick über die bewaldeten Hügel bis zum Meer und zählst wie viele Orte Du auf Elba entdecken kannst. Erst auf Drängen der anderen verlässt Du diesen magischen Ort und schöpfst zum Spülen mit einer alten Kasserolle Regenwasser aus einer blauen Tonne. Schon am zweiten Tag ein ganz normaler Vorgang.
     
    Als wir abreisten und die Bodenplatte des Autos wieder über Felsen schmirgelte, spürten wir noch nichts. Doch zurück im Leben mit Zentralheizung und Terminen zeigten sich die ersten Symptome. Das bekannte Virus „Mal d’Afrique“ - ein innerer Zwang immer wieder nach Afrika zurückzukehren – mutierte zur „Malattia di Toscana“. Eine Krankheit, die erst Bilder aufblitzen lässt. Die Bar im Dorf mit dem singenden Wirt. Der Schäferhund auf der Ladefläche einer roten Dreirad-Ape. In der Sonne silbrig glänzende Olivenbäume. Gustl, die schwarze Katze, die einen stets zum Klo mit dem gelben Deckel begleitete. Die parlierenden Männer auf der Piazza.
    Vielleicht nur schöne Urlaubserinnerungen.
    Kritischer wird es, wenn mitten im Feierabendverkehr Gerüche von Rosmarin, Lavendel und von der Sonne verbranntem Gras auftauchen.
    Wirklich gefährlich ist das Virus jedoch erst, wenn es das Gedächtnis manipuliert. Die Bilder verändern sich. Sind geschönt, gefälscht wie nach raffinierter Bearbeitung mit einem Fotoprogramm. Plötzlich ist der toskanische Himmel noch blauer, die Ruhe mindestens paradiesisch, die Landschaft an Schönheit nicht mehr zu überbieten, jedes Dorf ein Kleinod.
    Ist die Sehnsucht nicht mehr mit einem Abendessen beim Italiener um die Ecke zu stillen, bist Du verloren.
     
     
                                          III
     
    Einige Jahre, zwanzig Reisen und einen Klick später.
    Wi r haben wir es geschafft. Wir hocken zwei Wochen vor Weihnachten unter einem grauen Himmel im Sturm.
    Unser Leben verändert hat wirklich ein einziger verrutschter Klick unter den „Favoriten“, wo ich die Homepage eines Maklers abgespeichert hatte. 
    Um das Virus wenigstens temporär ruhig zu stellen, hatten wir immer wieder Häuser in der Toskana besichtigt. Nach gefühlten 50 Besichtigungen gaben wir auf. Es gibt schönere Urlaube als tagein, tagaus zu erfahren, dass angepriesene Traumhäuser sich als überteuerte Hässlichkeiten entpuppen, gar nur aus einem ruinösen Steinhaufen bestehen und das angekündigte Panorama tatsächlich einen Rundumblick bietet - auf riesige silberfarbene Erdwärme-Rohre.
    Und nun dieser Klick. Irgendetwas war diesmal anders. Solider. Die Fotos zeigten erschreckende Scheußlichkeiten. Einen Maschendrahtzaun, befestigt an Hohlbausteinen, rund um eine Terrasse, die von einem Betonmonster als Brot- und Pizzaofen dominiert wurde. Ein Wohnzimmer mit Kuhfell an der Wand. Einen Schuppen mit einem kleinen Traktor. Was sollen wir mit einem Traktor?  Ein Zimmer mit Stockbetten. Aber ein Bild zeigte die intakte Fassade eines Natursteinhauses.
    Im spröden Text fehlten alle üblichen Attribute wie „traumhaft“, „exklusiv“, „einmalig“. Stattdessen: „ein wenig Solarstrom“, „Quellwasser“,  „unberührte Natur“, „Zufahrt für fast jedes Auto möglich“, „Blick auf Elba“.
    Alles klar. Kein Strom, kein Wasser, eine Hütte
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