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LaNague 05 - Der Tery

LaNague 05 - Der Tery

Titel: LaNague 05 - Der Tery
Autoren: F. Paul Wilson
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waren.
    Wieder gewahrte der Tery eine Bewegung zu seiner Rechten – das Mädchen drückte sich an der Wand entlang zur Tür. Eben wollte er sie packen und wieder in die Ecke schleudern, als der Mann in seinem Griff etwas tat, was den Tery völlig verblüffte: Er fing an zu weinen. Tränen kullerten über sein Gesicht, und sein Körper wurde von einem tiefen, mitleiderregenden Schluchzen erschüttert. Jon ließ ihn los und sah zu, wie er auf seine Knie sank und ihn mit erstickter Stimme um Gnade anflehte. Seine beiden Hosenbeine waren naß von Urin, und er flog vor unverhülltem Entsetzen an allen Gliedern.
    Der Tery fühlte sich, als ob er plötzlich mit Eiswasser übergossen worden wäre. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete seine Rachetat. Der rote Dunst und die Wut waren verschwunden. Er spürte, daß sich die Frau hinter ihm bewegte und zum Boden bückte, aber in seinem Gehirn war jetzt nur Platz für ein Staunen über seine eigene Torheit. War diese heulende, jämmerliche Gestalt es überhaupt wert, erschlagen zu werden? Das sollte der Mann sein, dessen Tod das Gleichgewicht wiederherstellen würde?
    Was war er doch für ein Narr gewesen! Er hatte Tlads Leben aufs Spiel gesetzt und das Leben aller Talente als Druckmittel benutzt, nur um eigenhändig die Tage eines einzigen Mannes zu beenden. Tlad hatte recht behalten. Genthren war es nicht wert. Seine rechte Hand fühlte sich schmutzig an, weil sie ihn berührt hatte …
    Als er sich abwandte, um zu gehen, gewahrte er verschwommen eine Bewegung hinter sich. Bevor er reagieren konnte, schien sein Hinterkopf zu explodieren. Seine Knie knickten ein, und als er zu Boden fiel, sah er das Mädchen mit dem hölzernen Stuhl in der Hand dastehen. Er versuchte aufzustehen, doch Genthren war vor ihm auf den Füßen und hatte dem Mädchen den Stuhl entrissen. Jon sah, wie er ihn hochhob, wie er auf ihn niedersauste, dann sah er nichts mehr …
     
    *
     
    … Schmerzen in seinem Kopf und seinen Füßen … er konnte sie nicht bewegen … die kühle Nachtluft auf seinem Gesicht … er öffnete die Augen und blickte auf eine jauchzende, sich drängelnde Ansammlung von Soldaten … und hinter ihnen standen noch mehr … sahen ihn alle an … ein lauter Gong hallte durch die Dunkelheit …
    … er spürt Holz entlang seinem Rücken und seinen ausgestreckten Armen … er schaut nach rechts und nach links und sieht Stachel, die durch seine Handflächen gehen und ihn an das Holz festnageln … auch seine Füße sind festgenagelt … und seine Arme sind mit einem Strick festgebunden, damit sein eigenes Gewicht ihn nicht losreißt …
    … er hängt vor dem Festungswall an einem hölzernen Kreuz …
    … eine Stimme dröhnt über ihm, dies solle allen jenen eine Lehre sein, die nicht die Wahre Gestalt besäßen und es wagten, ihre Hand gegen einen der Wächter des Oberlords zu erheben … ein langsamer Tod erwarte sie statt eines schnellen …
    … unter ihm, am Fuße des Kreuzes, ist Brennholz aufgeschichtet … der Redner hält eine Fackel daran und tritt zurück … Flammenschein flackert über die Gesichter der Männer, die unter ihm im Kreis stehen … Genthren, der Mörder seiner Eltern, ist auch da, sein haßerfülltes Gesicht freudig erregt … der Mann, dessen Leben er verschonte, ist jetzt in Sicherheit und johlt den hochlodernden Flammen zu, genau wie alle anderen … die Männer … die Menschen … wie sehr hatte er sich gewünscht, als einer der ihren akzeptiert zu werden …
    … einer von denen da? … warum denn? … sieh sie doch an … sieh nur, wie sie sich am Todeskampf eines anderen ergötzen … warum hatte er überhaupt ein Mensch sein wollen? … besser wäre er für immer ein Tery geblieben.
    … und dann fielen ihm Tlad und Komak und Rab ein … und natürlich Adriel … es war ihre Anerkennung, nach der er sich so sehr gesehnt hatte … sie waren die Menschheit, nach der er gesucht hatte …
    »ICH BIN EIN MENSCH!« brüllt er den Untenstehenden zu, während die Hitze stärker wird … plötzlich sind sie still … in scheuer Ehrfurcht … erschüttert. »ICH BIN EINER VON EUCH!«
    … einer lachte nervös auf … dann ein zweiter … ein Stein kommt aus dem Dunkel geflogen und trifft ihn an seiner rechten Schulter … dann ist überall Gelächter und Gejohle … und Steine …
    … und er muß jetzt seine Augen schließen … die Hitze wird so stark … das Fell an seinem Bein fängt Feuer, aber der Schmerz ist weit weg … die Talente … er
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