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Lakritze - Thueringen Krimi

Lakritze - Thueringen Krimi

Titel: Lakritze - Thueringen Krimi
Autoren: Sylke Tannhaeuser
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seine Ordnung haben. Ihr Kollege begleitet ihn.«
    Henne bezweifelte, dass an diesem Tag auf der Baustelle weitergebaut wurde, doch er nickte nur und nahm einen Schluck von dem heißen Kaffee. Um sie herum waren überall Baupläne zu sehen, auf dem Tisch, den Regalen, an den Wänden. Dazwischen hingen einige Fotos, alle stellten sie Dankwart König dar. Auf einem stand er in großer Pose neben dem Oberbürgermeister, auf einem anderen war er mit dem Landesvater zu sehen, dann wieder lachte er inmitten der wie Werbemänner für Zahnpasta strahlenden Fraktionsvorsitzenden verschiedener Parteien.
    »Wohl dem, der einflussreiche Freunde hat«, sagte Henne.
    »Ach was, König hat sich nur gern ins Rampenlicht geschoben. Eigentlich wollte niemand etwas von ihm wissen.« Heiligenbrand schaltete die Kaffeemaschine aus.
    »Tatsächlich?«
    »Er war ein Grünschnabel. Im Grunde hatte er keine Ahnung vom Bau. Er hat Verkäufer gelernt, für Unterwäsche. Das muss man sich mal vorstellen.« Heiligenbrand tippte sich an die Stirn. »So einer sattelt um und baut Häuser, Einkaufscenter, Tiefgaragen. Aber das Geld dazu hat er gehabt. Und das Know-how hat er eben gekauft.«
    »Gab es einen zweiten Mann im Geschäft? Hatte er einen Partner?«
    »Nee, da hätte er ja teilen müssen. König hat sich Leute genommen, die keine Alternative hatten. Leute wie mich, zu alt für den Arbeitsmarkt und die Tariflöhne. Ich will noch nicht zu Hause herumsitzen und auf die Rente warten. Mit fünfundfünfzig fühle ich mich jung.« Die Tränensäcke unter den blassblauen, rotgeränderten Augen und die Furchen auf der Stirn und um den Mund herum ließen Heiligenbrand viel älter als Mitte fünfzig erscheinen. Wahrscheinlich schlief er nie richtig und aß zu wenig.
    »Hat er auch junge Leute beschäftigt?«, fragte Henne.
    »Klar, Lehrlinge, die den Abschluss verkackt haben, Praktikanten, Ausländer. Alle, die die Klappe halten und nicht aufmucken aus Angst, sie könnten ihren Job verlieren.« Heiligenbrand kickte den Zigarettenstummel durch die halb geöffnete Tür. »Aber das ist jetzt ohnehin egal. Jetzt ist er tot, und mein Job ist auch weg.«
    »Gordemitz hat gesagt, Sie gehen ihm zur Hand. Was hat er damit gemeint?«
    »Mädchen für alles.« Heiligenbrand angelte eine neue Zigarette aus dem Päckchen. »Pläne, Aufsicht, Kontrolle, Abnahme, Kalkulation. Und die Dinge, die niemand gern macht: Kaffee kochen, abwaschen, aufräumen.«
    »Auch Personalsachen und Arbeitsschutz?«
    »Arbeitsschutz? Gestatten Sie, dass ich lache?« Tatsächlich entblößte Heiligenbrand eine Reihe gelblicher Beißerchen. Doch sein Lachen erstarb so schnell, wie es gekommen war. »Personal hat König eingestellt und gefeuert. Für die Lohnabrechnung gibt es ein windiges Büro. Ich hab noch keinen von denen hier auf der Baustelle gesehen. Ohnehin wurde der Lohn meistens bar auf die Hand gezahlt.«
    Henne nahm sich vor, bei den Sozialträgern nachzuforschen. Renten-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosenversicherung, eine Menge Anhaltspunkte. Das Lohnbüro konnte er gleich mit unter die Lupe nehmen. »Wissen Sie etwas von Freunden oder Familie?«
    »Bleiben Sie mir bloß mit den Weibern vom Leib. Ich bin zweimal geschieden, hat mich jedes Mal ein Schweinegeld gekostet. Für mich ist das Mann-Frau-Ding durch.«
    Henne hatte kein Bedürfnis, Heiligenbrands gestörtes Verhältnis zum weiblichen Geschlecht zu erörtern. »Königs Familie, meine ich.«
    Heiligenbrand kratzte sich am Kopf. Gleichmütig betrachtete er das Büschel Haare, das zwischen seinen Fingern hängen blieb. »Da gibt es eine Angetraute, eine schöne, stolze. Wie ein Filmstar sieht die aus. Ich habe mich immer gefragt, was so eine an dem König findet. Schauen Sie sich die Fotos an. Da ist er noch gut getroffen. In Wahrheit hat er alt ausgesehen, mit einem gemeinen Zug um den Mund. Den hat er bis zum letzten Atemzug behalten.«
    »Was meinen Sie mit: bis zum letzten Atemzug?«
    »Na, ich hab ihn doch gesehen. Gordemitz und ich, wir sind oben entlanggelaufen.« Heiligenbrand zeigte durch das Fenster des Bauwagens in Richtung des Randes der Baugrube, der sich gut fünf Meter über dem Boden dahinzog. »Es war arschdunkel, das kann ich Ihnen sagen. Bei dem verdammten Regen war kaum etwas zu erkennen. Gordemitz hat ab und zu mit dem Handscheinwerfer geleuchtet, und auf einmal war da ein Mensch im Lichtkegel, mitten im Dreck. Wir sind sofort runtergerannt, da haben wir noch nicht mal gewusst, dass es der König war.
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