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Lakritze - Thueringen Krimi

Lakritze - Thueringen Krimi

Titel: Lakritze - Thueringen Krimi
Autoren: Sylke Tannhaeuser
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Silben.
    Es war Sonntag. Das Thüringer Land, das abseits der Städte schon unter der Woche voller Geruhsamkeit war, lag still und friedlich im hellen Sonnenlicht. Kein Straßenlärm, keine Bauarbeiten störten die Ruhe. Nur die Glocken der Dorfkirchen waren je nach Entfernung laut oder leise zu hören.
    Carla Schreiber und Ralph Bartwick waren am späten Nachmittag des Vortages in der Pension mit dem hoffnungsvollen Namen Waldidyll angekommen. Frühstück ab neun, hatte Frau Ritter beim Einchecken erklärt, doch Carla und Ralph waren die einzigen Gäste, und Carla hatte sie überreden können, für sie eine Ausnahme zu machen.
    Frau Ritter entsprach in jeder Hinsicht dem Bild einer umtriebigen Herbergsmutter. Zweckmäßig in eine blümchengemusterte Schürze gekleidet, die Haare am Hinterkopf zu einem Zopf zusammengezwirbelt, die Augen wachsam, als wartete sie nur darauf, einen Mangel zu entdecken, den es zu beheben galt. Sie hielt eine Papierserviette unter die Tülle der Kaffeekanne, als sie die Tassen füllte. Der Duft nach frisch gebrühtem Kaffee breitete sich aus. Dann stellte sie die Kanne auf einen hölzernen Untersetzer, der wie alles in dem Raum mit dem übrigen Interieur harmonierte.
    Die Holzpaneele passten zu den rustikalen Stühlen mit den gedrechselten Beinen. Aus Holz waren auch die Rahmen der Kunstdrucke an den Wänden. Carla erkannte Liotards
    »Schokoladenmädchen«, ein Bild, das früher in jedem Café oder Hotel gehangen hatte.
    Ralph saß Carla gegenüber. Seine halblangen Haare waren zerzaust, die Augen hinter seiner Brille blickten müde. Er hatte gleich am ersten Abend die Gegend erkunden wollen. Als Carla gegen Mitternacht auf den Wecker geschaut hatte, war er noch nicht zurück gewesen.
    Sie griff nach dem Vollkornbrot, das auf einem hellen handgeschnitzten Brettchen lag. »Es kann schließlich nicht immer regnen.«
    »Haben Sie schon Pläne? Wo soll es heute hingehen?« Frau Ritter zupfte den geblümten Vorhang zurecht.
    Ralph tippte auf den Reiseführer. »Zur Barbarossahöhle.«
    Carla verzog das Gesicht. »Wir wollten doch wandern«, erinnerte sie ihn.
    »Im Wald ist es viel zu nass.«
    »Ach was, wir haben wetterfeste Kleidung.«
    »Warum schauen Sie nicht am Vormittag zu Barbarossa und danach in den Wald? Dann dürfte ein Gutteil getrocknet sein. Der Wetterdienst hat über zwanzig Grad vorhergesagt.« Frau Ritter stellte ein Glas roter Marmelade auf den Tisch.
    Carla nickte ergeben. Sie wollte nicht streiten. Sollte Ralph seinen alten König haben. Dann würden sie eben später wandern.
    Während sie ihr Brot in Windeseile herunterwürgte – ohne Butter, in ihrem Abnehmprogramm gab es dafür keinen Spielraum –, ließ Ralph sich Zeit und sparte nicht mit der ausgezeichneten Erdbeermarmelade. Hausgemacht, wie die Wirtin versichert hatte.
    »Beeil dich«, sagte Carla.
    »Immer mit der Ruhe. Die Schauhöhle öffnet erst um zehn.«
    »Bis Rottleben sind es knapp dreißig Kilometer. So langsam, wie wir mit den Fahrrädern sind, brauchen wir dafür drei Stunden.«
    »Meine Güte, wir haben Urlaub.«
    Carla seufzte leise. Insgeheim bedauerte sie es bereits, dass sie sich von Ralph zu diesem Urlaub hatte überreden lassen. Einfach mal raus, hatte er gesagt und gleich darauf vom Thüringer Wald geschwärmt. Eine Woche ohne Ärzte, es hatte verlockend geklungen. Ralph, der wie sie Patient des Vogtland-Klinikums war, hatte die Planung übernommen, und schon war das Zimmer im Waldidyll gebucht.
    Sie kannten sich erst einige Wochen, dennoch war Carla sich sicher, in Ralph den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Er war nett, gebildet und unterhaltsam. Und er sah gut aus. Er war schlank, ohne hager zu wirken, dabei muskulös und überragte sie um einen Kopf. Wenn er lachte, blitzten die Augen hinter seiner Brille. Dann wirkte er wie ein kleiner Junge, unbeschwert und verschmitzt. Sie liebte ihn und hoffte, der Urlaub würde nichts daran ändern. Und doch, seine stoische Ruhe machte sie nervös.
    »Eine Radtour ist eine gute Gelegenheit, die eingerosteten Glieder in Bewegung zu bringen«, sagte sie.
    »Ich will mich erholen.« Ralph beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Nasenspitze.
    »Klar, aber aktiv. Das sind wir uns schuldig.«
    Ein amüsiertes Lächeln kauerte in seinen Mundwinkeln. Lachte Ralph sie etwa aus? Carla war im letzten Jahr fünfunddreißig geworden. Trotzdem fühlte sie sich zu jung für schlaffe Muskeln, Orangenhaut und einen Hintern, der sich der Erdanziehungskraft beugte.
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