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Lakritze - Thueringen Krimi

Lakritze - Thueringen Krimi

Titel: Lakritze - Thueringen Krimi
Autoren: Sylke Tannhaeuser
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fühlten sich an, als ob sie glühten. Brüsk wandte sie sich ab, nahm ihr Rad und schob es den Hang zur Straße hinunter. Ralph rief nach ihr, doch sie wartete nicht, ob er ihr folgte.

ZWEI
    »Und als Ralph das letzte Gehölz weggezogen hat, lag sie einfach so da. Wie eine weggeworfene Puppe«, berichtete Carla im Frühstücksraum der Pension Waldidyll.
    »Großer Gott, eine Tote im Wald …«
    »Sie können sich nicht vorstellen, wie schrecklich das war. Die Kleine sah fürchterlich aus.«
    »Schlimm, wenn ein junges Ding stirbt.«
    »Offensichtlich wurde sie ermordet.«
    Frau Ritter schlug die Hände zusammen. Ihr Gesicht hatte jegliche Farbe verloren. »Weiß man, wie?«
    »Ich habe nicht genau hingeschaut. Dieser Kommissar Feuerteufel wird es uns schon noch sagen. Er wollte nachher noch vorbeikommen.« Vielleicht wusste er dann schon, um wen es sich bei der Toten handelte. Carla arbeitete als freie Journalistin. Ein Bericht über den Mord im Thüringer Wald würde ihr ein gutes Honorar sichern.
    »Feuerbirk«, warf Ralph ein.
    »Was?«
    »Nicht Teufel, Birk heißt der Mann. Kommissar Feuerbirk.«
    »Meinetwegen.« Carla hob ihr leeres Glas. Die Wirtin schenkte einen großen Doppelkorn ein. Es war der vierte, seit sie in die Pension zurückgekehrt waren. Carla hatte sich sofort wie ein Kind, das bei der Mutter Schutz suchte, im Frühstücksraum bei Frau Ritter verkrochen. Ralph war wenig später in der Pension eingetroffen und hatte sich neben sie auf die Bank gesetzt.
    »Bist du sicher, dass du nicht auch einen Schnaps brauchst?«, fragte Carla Ralph.
    »Vielleicht später.«
    Er kam Carla ungewöhnlich schweigsam vor, doch sie schob den Gedanken beiseite. Beim Trinken legte sie den Kopf in den Nacken. Durch den dicken Boden des Glases sah Ralph ganz verschwommen aus. Sie setzte das Glas ab, aber an Ralphs Anblick änderte das nichts. Verzerrt–verwaschen–futsch. Carla blinzelte. War sie drauf und dran, durchzudrehen? Die Pillen fielen ihr ein, kleine Helfer für die Momente, in denen sie sich verfolgt fühlte und ihre Angstzustände übermächtig wurden. Sie lagen in ihrem Nachttisch und warteten auf sie. Sie hätte längst eine oder zwei nehmen sollen. Die Dinger waren nur für den Ernstfall vorgesehen, aber ein Leichenfund war mit Sicherheit ernst genug.
    Carla kniff die Augen zusammen und riss sie gleich darauf wieder auf, dann zwinkerte sie einige Male. Sie kam sich wie eine wimpernklimpernde Filmdiva vor, aber immerhin half es. Ralph schaute zum Glück wieder normal aus.
    Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Oberlippe, begutachtete flüchtig den klebrigen Film – eine Mischung aus Schnaps und Schweiß – und wischte ihre Hand kurzerhand an der blütenweißen Tischdecke ab. Ehe die Wirtin Einspruch erheben konnte, packte sie die Flasche und bediente sich.
    »Der Nordhäuser ist gut.« Carla hickste.
    Ralph, der wie immer an einem Lakritzbonbon herumgekaut hatte, wollte nun doch einen Doppelkorn. Carla goss ein. Mit zu viel Schwung, leider. Frau Ritters Tischtuch hatte plötzlich nasse Flecken.
    Carla beobachtete fasziniert, wie Ralph mit dem Schnaps kämpfte. Er schluckte und schluckte. Wahrscheinlich weigerte sich seine Kehle, das Feuerwasser zu dem grässlichen Süßkram rutschen zu lassen. Sie gluckste. Es war albern, doch sie kam nicht dagegen an.
    Die Tür ging auf. Ein älteres Paar trat ein und steuerte den Tisch neben Carla und Ralph an.
    »Tag allerseits«, grüßte der Mann in die Runde. Auf seinem schmalen, von fahler Haut umspannten Gesicht hing ein kummervolles Lächeln.
    Seine Begleiterin schaute neugierig zu ihnen herüber. Sie schien geradewegs Wilhelm Buschs Bilderbuch entsprungen zu sein, denn sie war Witwe Bolte wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur anstelle des über der Stirn verknoteten Tuches balancierte sie einen mickrigen Dutt auf dem Kopf.
    »Unsere Nachbarn«, erklärte Frau Ritter. Es klang wenig erfreut.
    Als hätten die beiden bloß darauf gewartet, rückten sie an den Tisch, an dem Carla und Ralph saßen.
    »Edith und Wilfried Zumpe.« Frau Ritter stellte auch Ralph und Carla vor.
    Carla bekam einen Schluckauf und ergriff die Hand, die ihr Edith Zumpe entgegenstreckte. Sie quetschte die Finger, als hätte sie in ihnen endlich den Halt gefunden, nach dem sie gesucht hatte.
    »Die Nachricht ist wie ein Lauffeuer durchs Dorf gerast. Wir haben es von Karl, dem Briefträger, gehört und sind so schnell wie möglich hergekommen. Sie haben die arme Seele entdeckt,
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