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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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können, hat er einen Kredit bei der Bank aufgenommen. Obwohl er sich finanziell übernommen hat, gerät Rudi sofort ins Schwärmen, als er mir die Schönheit dieser Ketten, Ringe, Broschen und Armbänder schildert. Bedauerlicherweise finden sich partout keine Käufer für die teuren Stücke.
    »Du solltest mal kommen«, sagt er, »um dir wenigstens das Diadem einer preußischen Hoheit anzuschauen! Schwere, prunkvolle Ausführung, auf dem smaragdgrün emaillierten Mittelteil das Monogramm der Königin Luise. Nur schon das Art-déco-Ohrgehänge mit Diamanten, absolut stilrein. Dazu passend ein hinreißendes Collier! Und aus Budapest …«
    Ich unterbreche ihn. »Rudi, ich glaube, ich muß mal ein ernstes Wörtchen mit dir reden. Komm her und bring deine Schätze mit, du hast sie ja hoffentlich versichert!«
    Der kommende Donnerstag ist sowohl in Wiesbaden als auch bei uns in Schwetzingen ein Feiertag. Ich locke mit hiesigem Spargel und reifen Erdbeeren. Rudi sagt zu, denn für seinen Hamburger Freund ist Fronleichnam ein regulärer Arbeitstag, und die Wochenendreise gen Norden lohnt sich erst am Samstag.
     
    Anneliese freut sich über jeden Besuch, selbst wenn er nicht ihr gilt. Ich überlege, wie ich ihr schonend beibringe, daß meine Gäste nicht zwangsläufig auch ihre sind. Meine Freundin muß nicht unbedingt mitbekommen, was ich von Rudis Bilanzen halte.
    »Am besten machen wir Spargel«, schlägt sie vor, als ob ich nicht selbst auf diese Idee gekommen wäre. Schließlich haben die Kurfürsten schon im 18. Jahrhundert gewußt, daß er in den lockeren Sandböden von Schwetzingen besonders gut gedeiht.
    »Und zum Auftakt deine berühmte Bärlauchsuppe«, fahre ich fort.
    Sie reißt eine Sekunde lang den Mund auf und forscht in meinen Augen nach Spott, Häme oder gar bösen Plänen. Aber ich setze meine harmlose Gutwettermiene auf, und sie lächelt schon wieder.
     
    Der Garten ist Annelieses Paradies. Heute erklärt sie mir die Kräuterbeete. Petersilie, Schnittlauch und Dill kann ich natürlich auch auseinanderhalten, aber der Unterschied von Majoran, Thymian und Oregano will gelernt sein. Und wer kennt schon Ysop, Weinraute oder gar Beinwell? Für die Frankfurter Grüne Soße hat sie jederzeit sieben Kräuter zur Hand – außer den gängigen sind es noch Sauerampfer, Borretsch, Pimpinelle, Kerbel und Kresse.
    »Du bist mir ja die reinste Kräuterhexe«, sage ich bewundernd. »Ich mit meinen schlechten Augen würde sicher mal in die Nesseln greifen. Dein gesamtes Grünzeug sieht für mich ziemlich ähnlich aus.«
    Anneliese lacht. »Das kann verhängnisvolle Folgen haben«, sagt sie. »Man sollte sich schon ein bißchen auskennen, denn im Grunde ist jeder Garten voller Giftpflanzen. Überall wachsen Christrosen, Fingerhut, Seidelbast, Mohn, Rittersporn, Eisenhut und Goldregen. Sogar auf den Balkons stehen Oleander, Kirschlorbeer und Geranien. Aber wer wird schon auf die Idee kommen, daraus einen Salat anzurichten oder aus den Beeren von Efeu und Taxus Marmelade zu kochen?«
    Ich vielleicht nicht, denke ich, aber Anneliese schon. Schließlich hat sie eine legierte Suppe mit Herbstzeitlosenblättern verfeinert.
    »Hast du eigentlich Bärlauch im Garten?« frage ich. »Leider weiß ich gar nicht so genau, wie er aussieht.«
    »Nein, Bärlauch gedeiht eher in Auen und Flußwäldern, aber auch im wilden Teil unseres Schloßparks«, sagt Anneliese. »Wenn er nicht gerade blüht, ähnelt er in etwa dieser Pflanze.« Dabei rupft sie ein Maiglöckchenblatt ab und hält es mir vor die Augen.
    Nachdenklich ziehe ich die Stirn in Falten, denn ich kann mir kaum vorstellen, daß sich eine derartige Expertin beim Kräutersammeln irren könnte.
    Anneliese hat meine Gedanken erraten. »Im übrigen sind auch Maiglöckchen giftig«, sagt sie heiter, »aber nicht so wirksam wie Herbstzeitlose.«
    Sie setzt anscheinend als selbstverständlich voraus, daß ich nicht an die Version einer unabsichtlichen Verwechslung glaube.
    Ich nicke ihr nur zu. Manche Dinge soll man lieber nicht aussprechen, aber wir verstehen uns auch ohne Worte. Sie weiß ja sowieso, daß ich ihr immer die Absolution erteilen würde.
     
    Auf den Blumenbeeten ist eine gelbliche Rose mit dem schönen Namen Gloria Dei aufgeblüht.
    »Wann hat man dir zuletzt rote Rosen geschenkt?« fragt Anneliese, krallt sich an meiner Schulter fest, schlüpft aus ihrem Gummistiefel und schüttelt ein Steinchen heraus.
    Wann? Von Udo bekam ich ein Bukett zur Verlobung, Percy hat
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