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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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liebe Terry! Sonst ist sie eher eine Lady Punk, deine Tochter, aber heute …«
    Wahrscheinlich meinte er es sogar ernst, aber Terry hasste es, wenn man nicht zu ihr direkt sprach, sondern sie überging, als ob sie nicht existierte oder zu klein war. »Hast du Appetit darauf, Onkel Hugo?«, fragte sie.
    Da war die Mutter empört. Sie schnappte einige Male nach Luft. »Aber, aber …«, sagte sie. »Du entschuldigst dich bei Hugo.«
    »Sieh ihn dir doch an«, sagte Terry. »Seine gierigen Augen sagen doch alles. Du willst doch nicht behaupten, dass Onkel Hugo nicht kann.«
    Terry wusste, dass es die Mutter maßlos ärgern würde. Aber was machte das schon. Onkel Hugo gehörte hier gar nicht hin. Dies war immer noch die alte Wohnung, in der C. W. Burger mal gelebt hatte, und Terry spürte ihn in jedem Zimmer.
    Terrys Mutter versuchte die Fassung zu bewahren. »Erstens«, sagte sie, »habe ich dich schon öfters gebeten, ihn nicht Onkel Hugo zu nennen. Du darfst ihn Hugo nennen, Hugo . Und zweitens versteh ich das, was du gesagt hast, nicht. Ich will es nicht verstehen. Ich habe es einfach überhört.«
    Das war die Masche der Mutter: über alles Schweigen zu legen, so existierten die Dinge gar nicht für sie. Und wenn nicht Terry wäre, die immer rumorte und rumorte, so würde es auch ewigen Frieden im Haus geben.
    »Ich entschuldige mich bei dir, Onkel Hugo«, sagte Terry und wiederholte das noch zweimal, weil Onkel Hugo zuerst nicht reagierte. Aber eine Entschuldigung musste er schließlich annehmen, das war Höflichkeit. So hatte Terry einige Male Gelegenheit, Onkel Hugo zu sagen, und jedes Mal zuckte die Mutter etwas zusammen.
    Terry hatte immer noch alle, mit denen die Mutter im Laufe der Jahre zusammen war, Onkel genannt. Das sollte auch so bleiben, bis Terry aus der Wohnung ausgezogen war, und das würde mit achtzehn passieren, genau an ihrem Geburtstag, mit Trara und allem, und darüber hinaus würde sie sich das Recht vorbehalten, Leuten nur zu begegnen, wenn sie das wollte, und sie Onkel Hugo zu nennen oder nicht.
    »Ich nehme deine Entschuldigung an, Terry«, sagte Onkel Hugo. »Du bist wahrlich zu alt für dumme Bemerkungen.«
    Er konnte das Erziehen nicht lassen, aber es war nicht ernst gemeint, er wusste, dass es keinen Sinn bei Terry hatte. Onkel Hugo schaute dabei auf seinen Teller, aber Terry sah ihn an, und Lieschen war nervös, schob Salatteller von einem zum anderen. Wenn Terry so guckte, brütete sie normalerweise was aus. Aber diesmal irrte sich Lieschen. Terry dachte nur daran, dass C. W. Burger sie bestimmt angeschaut hätte. »Ja, Papa«, hätte Terry gesagt, oder: »Ja, Daddy«, oder wie eigentlich, das war eine Sache, über die sie nachdenken müsste.
    »Es ist so banal«, sagte die Mutter, und keiner wusste mehr, was sie eigentlich meinte. Lieschen zog fragend die Augenbrauen hoch. Die Mutter flüsterte: »Onkel, Onkel. Es ist zu banal.«
    Und Lieschen sagte: »Jetzt reicht’s aber, Christa. Nun lass es gut sein. Die Situation ist, wie sie ist.«
    Terry kümmerte sich um ihr Essen, knabberte an einer Hühnerbrust, zog die Haut, die sie nicht mochte, mit den Fingern ab und aß schließlich mit den Händen. Die Mutter sah ihr etwas angeekelt zu.
    »Bei Huhn darf man«, sagte Terry und Lieschen stimmte ihr zu.
    »Auf Sylt«, sagte Terry, »hast du sogar Fisch mit den Fingern gegessen. Draußen und vor allen Leuten.«
    »Da darf man das«, sagte die Mutter. »Da ist es zünftig.«
    Terry aß den Eiersalat, den keiner mehr wollte, direkt aus der Schüssel. Sie holte sich Ketchup aus der Küche und schüttete es über die Shrimps und über die Hähnchenkeule. Die Mutter sah gar nicht mehr hin. Terry hatte ihr den Rest gegeben.
    Terry genoss es. Sie liebte Ketchup. Sie konnte alles mit Ketchup essen, Pommes mit Ketchup und Braten mit Ketchup und Ketchup mit Ketchup. Sie aß Ketchup mit solcher Leidenschaft, dass sie schon überlegt hatte, ob das das amerikanische Erbe in ihr war.
    Die leeren Platten ließen sie einfach stehen. Morgen früh würde Frau Krosanke abräumen und, wie jeden Tag, ein Wunder vollbringen.
    Onkel Hugo öffnete lautlos eine Flasche Sekt. Er schüttete in vier Gläser zu gleichen Teilen ein.
    Terry hockte im Sessel und hatte die Beine angezogen. Das Minikleid bedeckte gerade ihren Hintern. Es war nichts zu sehen, aber Onkel Hugo sah trotzdem so auffällig nicht hin, als ob Terry die Pest hätte.
    Es war ganz still. Terry hörte das leise Fisseln der Kohlensäure in den
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