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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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Anfang Februar hinfuhr, allein oder mit Onkel Hugo oder sonst wem, und niemand sonst kümmerte sich dann um Terry als Lieschen, die nebenan ihre Wohnung hatte, oder Frau Krosanke.
    So gab es diesen Sommer auch nichts Neues und Lieschen nahm es also auf ihre Kappe und hatte es Terry beigebracht.
    Es war Terry egal. Sie hatte ihr Fenster geöffnet und lag breit wie eine der alten Frauen in Kreuzberg auf einem Kissen im Fenster und sah hinaus. Berlin war ein bisschen wie leer gesaugt. Im Sommer verschwanden die Leute aus der Stadt, als ob sie nur darauf gewartet hätten. Der Jahrhundertsommer hielt die Stadt besetzt, hatte die kleinsten Mauerritzen ausgelutscht, so dass die Straßen wie mit kleinen Staubwolken überweht waren und die Häuser alle einen gräulichen Schimmer hatten.
    Terry war mit sich und der Welt in Einklang. Sie sah vom dritten Stock hinüber zur Deutschen Oper, die im Sommer auch ausgestorben war, und hinunter auf die Straße. Ein schwarzer Köter trottete schläfrig an den Hauswänden entlang. Kopf und Schwanz waren gesenkt. Von oben sah er aus wie ein trauriger Hund, bis er plötzlich stehen blieb, kehrtmachte und eilig den eben gekommenen Weg zurücklief, als ob er etwas vergessen hätte. Es war nichts geschehen, nichts hatte sich verändert. Das, was den Hund zur Umkehr bewegt hatte, musste sich in seinem Kopf abgespielt haben.
    Terry wunderte sich und versuchte, wie ein Hund zu denken. Sie wusste nicht, ob es gelang, bekam Hunger und musste sich zu was entschließen, aber dann fuhr ein Wagen der Stadtwerke durch die Straße und sprengte Wasser auf den Staub. Das lenkte Terry ein paar Minuten ab. Sie beobachtete, wie die Rundbürsten den Straßendreck aufwirbelten und ansaugten. Hinten am Fahrzeug stäubte das Wasser aus einem Rohr auf den Straßenbelag. Ab und zu musste der Mann im Fahrzeug wohl einen Schalter bedienen, denn in einigen Abständen schossen vorn zwei Wasserfontänen aus dem städtischen Wagen und fegten Papier und Coladosen vor sich her und bis unter die Autos am Straßenrand.
    Es roch anders, nach nassem Staub und irgendwie grün, und nach einer Weile bildete Terry sich ein, dass es kühler geworden war.
    Als das Telefon klingelte, war ihr wieder die Entscheidung abgenommen. Sie beeilte sich nicht, hob langsam ihren Oberkörper von der Fensterbank und ging hinüber zu dem zierlichen Damenschreibtisch ihrer Mutter.
    »Burger«, meldete sich Terry und sprach es amerikanisch aus, Börger .
    Es war ihre Mutter, die anrief und die Terry mit ihrer Aussprache wütend gemacht hatte. »Ich will nicht, dass du dich so meldest«, sagte die Mutter.
    Terry kostete die Situation aus. Sie wollte den Ärger der Mutter breittreten. »Ich melde mich, wie es richtig ist«, sagte sie. »Börger.«
    »Ich will es nicht«, sagte die Mutter. »Begreife es endlich, melde dich Burger .«
    Terry wollte es nicht begreifen. »Aber wir heißen nun mal so«, sagte sie. »Börger, Börger.«
    »Lassen wir das«, sagte die Mutter. »Du wirst es nie begreifen.«
    Terry grinste. Sie fühlte, dass sie die Mutter geschlagen hatte, irgendwie, und das machte sie zufrieden.
    »Ich habe vergessen, dich heute Morgen zu fragen, ob du noch Geld hast«, sagte die Mutter. »Es war so hektisch und ich muss all die Vorbereitungen für die Fahrt treffen und jetzt bin ich mit Hugo in der Stadt. Nun, hast du noch Geld?«
    »Ja«, sagte Terry. Sie hatte immer Geld. Die Mutter wusste das, also, warum fragte sie ständig danach.
    »Wenn du kein Geld hast, nimm was aus der Schublade oben links. Wir essen jedenfalls in der Stadt.«
    »Ich habe Geld«, sagte Terry.
    »Iss was«, sagte die Mutter.
    Dazu hatte sich Terry sowieso schon entschieden. Sie legte auf. Etwas bedauerte sie, dass man sich am Schluss eines Telefonates nicht wie am Anfang melden konnte. So ungefähr wie beim Funksprechverkehr. Sie hätte gern ihre Gespräche so eingerahmt, Börger – Börger . Und gewusst, dass sie ihrer Mutter noch einen Stich versetzen konnte.
    Frau Krosanke hatte schon vormittags die Koffer mit den üblichen Sachen gepackt, Unterwäsche, Handtücher und den Stapel Sweatshirts für Terry. Die Koffer standen auf dem Flur bereit, von dem aus die Türen in alle Zimmer gingen. Die Mutter besorgte sich neue Garderobe, wie immer vor ihren Reisen, und Lieschen war weiß der Kuckuck wo.
    Frau Krosanke hatte ihre Arbeit in Terrys Wohnung schon sehr früh erledigt. Sie musste danach bei Lieschen gesäubert und aufgeräumt haben. Jetzt saugte sie die
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