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Die Schiffe der Kleopatra

Die Schiffe der Kleopatra

Titel: Die Schiffe der Kleopatra
Autoren: John Maddox Roberts
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I
    Kleopatra war nicht schön. Diese Feststellung sei mir gleich zu Beginn erlaubt. Menschen von mangelhaftem Verstand stellen sich oft vor, dass nur eine Frau von extravagantester Schönheit gleich beide mächtigsten Männer der Welt um den Finger wickeln konnte, Julius Caesar und Marcus Antonius. Es ist wahr, beide hatten einen Sinn für das Schöne, doch Männer von Macht oder Reichtum haben ihren Anteil an schönen Frauen gehabt, und damit die Königin von Ägypten dieses Duo alter verbrauchter Krieger, jeder von ihnen ein langgedienter Veteran in Feldzügen sowohl der Venus als auch des Mars, derart verzaubern konnte, bedurfte es mehr als bloßer Schönheit. Natürlich war es nicht ihr Schaden, dass sie Thronerbin der sagenhaft reichsten Nation der Welt war. Für die Schätze Ägyptens könnte selbst der wählerischste Liebhaber schöner Frauen ein paar überschüssige Zentimeter Nase, ein fliehendes Kinn oder vorstehende Zähne übersehen. Oder eben auch einen Buckel, O-Beine und ein Pickelgesicht.
    Nicht, dass Kleopatra hässlich gewesen wäre. Keineswegs. Sie war im Gegenteil durchaus attraktiv. Aber die Qualitäten, deretwegen große Männer sie liebten, waren nicht ausschließlich fleischlicher Natur und hatten nicht einmal etwas mit ihrem immensen Reichtum zu tun. Es war schlicht so, dass jeder normale Mann, der sich ein paar Minuten in ihrer Gegenwart aufhielt, sich hoffnungslos in sie verliebte, wenn sie es so wollte. Keine Frau konnte die Gefühle der Männer ihr gegenüber besser kontrollieren als sie. Ob es große Leidenschaft, väterliche Zuneigung, hündische Loyalität oder Furcht und Zittern war, was immer Kleopatra von einem wollte, sie bekam es. Und Liebe zu Kleopatra war keine jugendliche Vernarrtheit in ein wohlgeformtes, aber unbedarftes junges Ding. Wenn Kleopatra wollte, dass ein Mann sie liebte, dann liebte er sie, wie Paris Helena geliebt hatte, grenzenlos und unter Hintenanstellung allen gesunden Menschenverstandes und jedes Gefühls für Anstand und Proportionen. Es war eine ernste Krankheit, von der selbst die Götter ihn nicht erlösen konnten. Aber ich eile meiner Geschichte voraus. Das alles geschah erst Jahre später. Als ich Prinzessin Kleopatra zum ersten Mal begegnete, war sie noch ein Kind, wenngleich ein bemerkenswertes. Das war während des Konsulats von Metellus Celer und Lucius Afranius, als ich Gesandter am Hof von Ptolemaios Auletes in Alexandria war.
    Zum zweiten Mal kreuzten sich unsere Wege ein paar Jahre später, auf Zypern.
    »Warum«, fragte ich, »kann ich nicht gleich als Praetor kandidieren? Ich habe zwei Jahre als Aedile gedient, was in der Geschichte Roms beispiellos ist. Dafür schuldet mir das römische Volk nicht nur ein Praetoriat, sondern auch die beste propraetorianische Provinz auf der Landkarte. Jedermann hat meine Spiele geliebt, die Kanalisation ist grundüberholt, die Straßen sind ausgebessert, die Korruption im Baugewerbe praktisch ausgerottet -«
    »Du wirst deswegen nicht gleich als Praetor kandidieren«, unterbrach Vater mich, »weil wir bei den Wahlen im kommenden Jahr die Kandidaten unterstützen werden, auf die wir uns geeinigt haben, bevor wir wussten, dass dein Aedilat um ein Jahr verlängert werden würde. Außerdem sehen es die Leute lieber, wenn ein Kandidat für das Amt des Praetors mehr Zeit bei der Legion abgedient hat, als du vorweisen kannst.« »Du versuchst bloß, deine Rückkehr nach Gallien hinaus zu zögern«, sagte Creticus, womit er vollkommen recht hatte. »Und warum auch nicht?« gab ich zurück. »In diesem Krieg erwirbt sich keiner irgendwelche Lorbeeren außer Caesar. Man könnte denken, er kämpft da oben ganz allein, wenn man seine Berichte an den Senat liest.«
    »Das Volk verlangt keine Lorbeeren«, sagte Vater. »Es verlangt Pflichterfüllung. Sie werden keinem Mann das Imperium anvertrauen, der bloß fünf oder sechs Jahre unter den Adlern gedient hat.«
    »Cicero haben sie auch gewählt«, murmelte ich.
    »Cicero ist ein homo novus«, erwiderte mein Vetter Nepos. »Er hat kraft seines Rufes als Anwalt die höchsten Ämter errungen, weil er etwas Neues ist. Von einem Metellus verlangen die Leute das, was wir ihnen jahrhundertelang geboten haben: Führung im Senat und auf dem Schlachtfeld.« Wie mancher vielleicht schon vermutet hat, hielten wir gerade eine Familienkonferenz ab. Wir Metelli kamen von Zeit zu Zeit zusammen, um politische Strategien zu entwerfen. Wir hielten uns nämlich für einen großen Machtfaktor
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