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Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Titel: Blinde Seele: Thriller (German Edition)
Autoren: Hilary Norman
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1.
    Das Zimmer war voller Tod.
    Manche der Dinge hatten nie gelebt: Spielzeuge, die allenfalls in der Fantasie ihrer Besitzer lebendig gewesen waren.
    Andere hatten gelebt, geatmet, gefühlt: Eine gelbbraune Katze in einem Sarg. Eine weiße Ratte, an ein Korkbrett genagelt. Etliche Schmetterlinge.
    Und noch mehr.
    Ein alter beigefarbener Teddybär, der in einer kleinen Krippe lag.
    Ein Plüschhund mit teils flauschigem, teils abgewetztem Fell und stumpfen Pfoten, die von der Liebe eines kleinen Kindes zeugten, das daran genuckelt hatte.
    Auch der Spielzeughund war in der Krippe aufgebahrt, die Vorderpfoten vor der Brust gekreuzt, beinahe wie ein menschlicher Leichnam.
    Eine Puppe, blond und hübsch, vor langer Zeit von einem liebevollen Dad bei FAO Schwartz in New York City für seine Tochter in Florida gekauft, die längst erwachsen und aus dem Alter für Spielzeuge heraus war.
    Auch die Puppe lag auf dem Rücken. Ihre untere Körperhälfte war mit einem winzigen Tuch bedeckt. Die Arme waren erhoben und in den Gelenken verrenkt. Ihre Hände bedeckten ihre Augen, sodass man nicht sehen konnte, ob sie offen oder geschlossen waren.
    Die Augen sämtlicher toter Dinge in dem Zimmer waren bedeckt – mit den Händen, wie bei der Puppe, oder mit den Pfoten, wie bei der Katze, oder mit Heftpflastern oder winzigen Schlafmasken bis hin zu weichen Mullbinden und Verbänden.
    Selbst die Facettenaugen der Schmetterlinge waren bedeckt, blind und unsichtbar unter winzigen weißen Spitzentüchlein, wie kleine Platzdeckchen bei einer Kinder-Teeparty.
    Ungesehen und ohne selbst zu sehen.
    An den Wänden hingen Fotos.
    Dasselbe Thema: tote Geschöpfe, kaputte Spielzeuge.
    Und keine Augen.
    Es gab zahllose winzige Särge in diesem Totenzimmer.
    Und doch gab es auch Leben.
    Jemand war bei der Arbeit. Über einen Tisch gebeugt, in eine Aufgabe vertieft. Nur wenn man nahe genug hätte herankommen können, um der Person über die Schulter zu blicken, hätte man gesehen, womit sie sich beschäftigte.
    Es war etwas Entsetzliches.
    Der Stoff, aus dem Albträume sind.
    Etwas, das man nie vergessen können würde.
    Etwas, wovor man die Augen schließen würde.
    Und geschlossen halten.
    Für immer.

2.
    8. Mai
    Am Sonntagabend saßen Sam Becket und Special Agent Joseph Duval im Houston’s in North Miami Beach beim Essen.
    Es war für beide Männer eine Premiere – für Becket, den Detective vom Miami Beach Police Department, ebenso wie für Duval, den Special Agent vom Florida Department of Law Enforcement.
    Duval, ein schlanker Mann in den Fünfzigern, war früher Kriminalbeamter in Chicago gewesen. Seit er nach Florida gewechselt war, hatten er und Sam Becket bei mehreren größeren Fällen zusammengearbeitet. Die beiden Männer verstanden sich gut.
    Es war neunzehn Uhr und jede Menge los. Im Houston’s war an einen ruhigen Tisch nicht zu denken. Andererseits bestand bei dem ganzen Trubel kaum die Gefahr, dass Leute an Nebentischen mithörten.
    Nicht, dass Sam und Joe Duval offizielle Dinge zu besprechen hatten, doch Sam konnte nicht umhin, sich für Duvals aktuellen großen Fall zu interessieren, der ihm keine Ruhe ließ: Wieder ein kranker Irrer, der in Florida sein Unwesen trieb – und so ziemlich jeder wusste etwas darüber. Zumindest so viel, wie die Ermittler die Medien wissen ließen.
    Bei Serienmorden war es oft so, dass die Verbrechen oder die Täter inoffizielle Namen bekamen. Mit dem hier hatte es in Orlando begonnen, wo man das erste Opfer gefunden hatte, und der Name war rasch hängen geblieben: »Black Hole«, das »Schwarze Loch«, hieß der Verrückte, den sie jagten. Ein hässlicher Name, und bislang nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
    Bisher gab es drei Opfer. Das erste in Orlando, im Januar. Das zweite in Jupiter, Palm Beach County, knapp einen Monat später. Das dritte Anfang März in Naples, Collier County.
    Alle hofften, es würde das letzte Opfer sein, aber niemand glaubte daran.
    Details der Verbrechen waren ins ViCAP eingegeben worden, die zentrale Datenbank zur Verfolgung von Gewaltverbrechen – ohne greifbares Ergebnis. An zwei Tatorten waren übereinstimmende Fingerabdrücke genommen worden, hatten aber zu keinem Treffer in der Fingerabdruck-Datenbank des FBI geführt. Einzelheiten über die Verbrechen – wenn auch längst nicht alles – standen auf der FBI-Webseite der meistgesuchten Kriminellen.
    Im Miami-Dade County war Black Hole bislang noch nicht aktiv geworden, und jeder beim Miami Beach Police
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