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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab
Autoren: Lisa Gardner
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Metallregale bedeckten die ganze Längswand, davor hingen stark verrottete Bambus-Jalousien.
    »Die Originalleiter?«, erkundigte er sich.
    »Das war eine Strickleiter aus Metallgliedern. Wir haben sie bereits als Beweismittel eingepackt.«
    »Und eine Sperrholzplatte hat die Öffnung verdeckt, sagst du? Habt ihr passende Stöcke zum Aufstemmen gefunden?«
    »Einen etwa einen Meter langen, vier Zentimeter dicken Stock. Die Rinde war abgeschabt. Damit konnte er die Platte aufstoßen.«
    »Und die Regale?« Er ging einen Schritt darauf zu.
    »Noch nicht!«, gebot ihm D. D. Einhalt.
    Er kaschierte sein Erstaunen mit einem Achselzucken, dann wandte er sich ihr zu.
    »Ich sehe nicht viele Etiketten von der Spurensicherung«, sagte er.
    »Es war nicht viel zu finden. Es scheint, als hätte der Täter diese Kammer geschlossen. Er hat sie für eine Weile genutzt und ist dann eines Tages weitergezogen.«
    »Hast du ein Datum, wann die Höhle benutzt wurde?«
    »Wir müssen Christies Bericht abwarten.«
    Er schwieg einen Moment. Dann sagte er nach einem Moment mit besonderer Betonung: »Ja, okay, sieht aus wie sein Werk, aber bisher haben wir beide nur Wissen aus zweiter Hand. Hast du mit den Detectives, die den Originalfall bearbeitet haben, Verbindung aufgenommen?«
    D. D. schüttelte den Kopf. »Ich bin seit Mitternacht hier und hatte noch keine Gelegenheit, die alte Akte durchzusehen. Das liegt viele Jahre zurück. Wer immer die Ermittlungen damals durchgeführt hat, ist sicher längst in Pension.«
    »18. November 1980«, sagte Bobby leise.
    D. D. kniff den Mund zusammen. »Ich wusste, dass du dich daran erinnerst«, flüsterte sie. »Sonst noch was?«
    »Die Grube war kleiner. Ich erinnere mich auch nicht, dass Stützbalken in dem Bericht erwähnt wurden.«
    Wieder berührte er die Wand und befühlte die feste Erde. Die zwölf Jahre alte Catherine Gagnon war fast einen Monat in einem unterirdischen Gefängnis eingesperrt gewesen, und nur die Besuche ihres Entführers Richard Umbrio, der sie als Sexsklavin festhielt, hatten die endlose Zeit in dem finsteren Erdloch unterbrochen. Jäger hatten sie zufällig kurz vor Thanksgiving gefunden, als sie geradezu über die Sperrholzfalltür stolperten und durch schwache Schreie von unten erschreckt wurden. Catherine war gerettet worden, und Umbrio hatte man zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
    Damit hätte die Geschichte enden sollen, aber so war es nicht.
    »Meines Wissens war bei Umbrios Prozess nie die Rede von weiteren Opfern gewesen«, sagte D. D.
    »Stimmt.«
    »Aber das heißt noch lange nicht, dass er so etwas vorher nicht gemacht hat?«
    »Nein, das heißt es nicht.«
    »Sie könnte sein siebtes, achtes, neuntes, zehntes Opfer gewesen sein. Er war kein redseliger Typ, also ist alles möglich.«
    »Klar. Alles ist möglich.« Bobby verstand, was D. D. unausgesprochen ließ. Und sie konnten nicht nachfragen. Umbrio war vor zwei Jahren gestorben, von Catherine Gagnon erschossen worden unter Umständen, die der wahre Todesstoß für Bobbys Karriere gewesen waren. Seltsam, dass manche Verbrechen Jahre, sogar Jahrzehnte später noch Auswirkungen hatten.
    Bobbys Blick wanderte wieder zu den verdeckten Regalen. Ihm war aufgefallen, dass D. D. ihm immer noch den Rücken zukehrte. Sie hatte ihn bestimmt nicht um halb drei Uhr morgens angerufen, damit er sich eine unterirdische Kammer anschaute. Und bestimmt war nicht die halbe Bostoner Polizei auf den Beinen wegen eines fast leeren Erdlochs.
    »D. D.?«, fragte er ruhig.
    Sie nickte. »Du kannst es dir genauso gut selbst ansehen. Bobby, das sind diejenigen, die nicht gerettet wurden. Die in der Dunkelheit geblieben sind.«
    Bobby ging vorsichtig mit den Jalousien um. Die Schnüre waren alt und zerfielen beinahe in seinen Händen. Einige der dünnen Bambusstäbe waren zersplittert und hatten sich mit den Schnüren verheddert, so dass die Jalousien kaum aufgerollt werden konnten. Hier nahm er einen Geruch wahr. Süß, beißend, fast wie Essig. Seine Hände zitterten, und er hatte Mühe, seinen Herzschlag zu beruhigen.
    Die erste Jalousie rollte sich auf. Dann die zweite.
    Am meisten half Bobby letzten Endes das totale Unverständnis.
    Tüten. Durchsichtige Mülltüten aus Plastik. Sechs. Drei im oberen Fach, drei im unteren, nebeneinander und oben ordentlich zugebunden.
    Tüten. Sechs. Durchsichtiges Plastik.
    Er taumelte rückwärts.
    Dafür gab es keine Worte. Er merkte, dass er den Mund öffnete, aber nichts
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