Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
Becher nur zwischen den zitternden Fingern.
    Es wurde sechs Uhr, die Sonne spähte über den Horizont. Christie und ihr Assistent brachten die Leichen, in schwarze Säcke verschlossen, herauf. Immer drei passten auf eine Trage, das hieß, dass der Wagen der Pathologie zweimal fahren musste. Zuerst würden sie ins Polizeilabor gebracht, damit die Plastiksäcke nach Fingerabdrücken untersucht werden konnten. Dann kamen die Leichen in die Pathologie.
    Als Christie losfuhr, verabschiedeten sich auch die meisten Detectives. An derlei Tatorten hatten die forensischen Anthropologen das Sagen, und da Callahan schon gefahren war, gab es nicht mehr viel zu tun.
    Bobby schüttete seinen kalten Kaffee weg und warf den Becher in eine Abfalltüte.
    Er wartete auf dem Beifahrersitz ihres Wagens auf D. D., bis sie endlich aus dem Wald kam. Und weil sie sich einmal geliebt hatten und seither Freunde waren, drückte er ihren Kopf an seine Schulter und hielt sie fest, während sie weinte.

4
    Mein Vater mochte alte Sprichwörter. Zu seinen liebsten gehörte: Das Glück begünstigt die Vorbereiteten. Vorbereitetsein war für meinen Vater das A und O. Und er bereitete mich sofort nach unserer Flucht aus Massachusetts vor.
    Wir fingen mit Sicherheitserziehung für Siebenjährige an: Nimm nie Süßigkeiten von Fremden an! Steig niemals zu jemandem ins Auto – auch nicht, wenn du die Person kennst! Achte darauf, dass du nie einem heranfahrenden Wagen zu nahe kommst! Falls dich der Fahrer nach dem Weg fragt, verweise ihn an einen Erwachsenen! Und wenn er nach einem Hund sucht, schick ihn zur Polizei!
    Und wenn Fremde in der Nacht in mein Zimmer kamen? Schrei, hämmere an die Wände! »Manchmal«, erklärte mir mein Vater, »bringt ein Kind, wenn es ganz große Angst hat, keinen Ton heraus, deshalb musst du die Möbelstücke umtreten, die Lampe auf den Boden werfen, Gegenstände zertrümmern und in deine rote Trillerpfeife blasen. Mach so viel Lärm wie nur möglich!« Ich könne die ganze Wohnung verwüsten, versicherte mir mein Vater, weder er noch Mutter wären mir böse.
    Kämpfe!, schärfte mir mein Vater ein. Tritt gegen die Kniescheiben, stich mit den Fingern in die Augen, beiß in den Hals!
    Mit den Jahren wurden meine Lektionen präziser. Karate zur Selbstverteidigung. Lauftraining. Raffinierte Sicherheitstipps. Ich lernte, die Haustür stets und ständig zu verriegeln, auch wenn ich bei hellem Tageslicht heimkam. Ich lernte, immer erst durch den Spion zu gucken, ehe ich die Tür öffnete, und niemals aufzumachen, wenn draußen ein Unbekannter stand.
    Halt immer den Kopf hoch und gehe zielstrebig drauflos! Stelle Blickkontakt her, aber immer nur ganz kurz! Die Menschen sollen merken, dass du deine Umgebung wahrnimmst: Aber du darfst nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf dich ziehen. Falls du dich unbehaglich fühlst, schließ dich der nächsten Gruppe an und bleib dicht dran!
    Wenn ich mich in einer öffentlichen Toilette bedroht fühlte, sollte ich laut »Feuer« schreien; auf eine solche Bedrohung reagierten die Leute eher als auf Hilferufe einer Frau, die attackiert wurde. Sollte mich jemand mit einer Waffe bedrohen, musste ich loslaufen – selbst der beste Schütze hatte Schwierigkeiten, ein bewegliches Ziel zu treffen.
    Mein Vater vertraute nicht auf Waffen; er hatte irgendwo gelesen, dass Frauen in Krisensituationen oft ihre Schusswaffe verloren, die dann gegen sie verwendet werden konnte. Deshalb trug ich im Alter von vierzehn immer eine Trillerpfeife um den Hals und ein Fläschchen Tränengas in der Tasche.
    Mit vierzehn streckte ich auch meinen ersten Gegner bei einem Kampf im Sportverein nieder. Ich hatte Karate aufgegeben und mit Kickboxen angefangen, und wie sich herausstellte, machte ich mich in dieser Sportart ziemlich gut. Die Zuschauer waren entsetzt. Die Mutter des Jungen, den ich auf die Matte geschickt hatte, nannte mich ein Monster.
    Mein Vater lud mich anschließend zu einem Eis ein und lobte mich, weil ich meine Sache so gut gemacht hatte. »Ich bin nicht für Gewalt, aber wenn du jemals bedroht wirst, darfst du keine Hemmungen haben. Du bist stark, du bist schnell, du hast Kampfgeist und einen guten Instinkt. Schlag erst zu und stell später die Fragen! Man kann nie gut genug vorbereitet sein.«
    Vater meldete mich für weitere Wettkämpfe an, bei denen ich meine Fertigkeiten verfeinerte und lernte, die Wut in die richtigen Bahnen zu lenken. Alles verlief gut, bis ich zu viele Kämpfe gewann und somit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher