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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab
Autoren: Lisa Gardner
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zerbrochenen Fensterscheiben reflektierten seine Scheinwerfer. Das Dach war in der Mitte eingefallen.
    Bobby nahm eine Rechtskurve, passierte ein zweites, ebenfalls baufälliges Gebäude. Autos säumten den Straßenrand, parkten Stoßstange an Stoßstange. Die Vans der Pathologen und Kriminaltechniker beanspruchten mehr Platz.
    Die Scheinwerfer leuchteten ein Gebiet abseits der Straße aus. Ein fernes Schimmern im Wald. Bobby hörte das Brummen des Generators, den die Spurensicherer mitgebracht hatten. Offenbar hatte er noch einen Fußmarsch vor sich.
    Er stellte sein Auto neben drei Streifenwagen ab, holte eine Taschenlampe, Stift und Block aus dem Handschuhfach und nahm seine Jacke vom Rücksitz.
    Die Novembernacht war kühl und in leichten Dunst gehüllt. Niemand war in der Nähe, aber der Strahl seiner Taschenlampe erfasste einen Trampelpfad, den die Ermittler bereits ausgetreten hatten.
    Den Generator konnte er hören, aber noch keine Stimmen. Er duckte sich unter tief hängenden Ästen hindurch und spürte, wie der Boden unter seinen Stiefelsohlen weicher wurde. Er kam an einer Lichtung vorbei, bemerkte einen Abfallhaufen – halb verrottetes Holz, zerbrochene Ziegelsteine, einige Plastikeimer.
    Die Geräusche wurden lauter, das Summen des Generators wuchs sich zu einem dumpfen Dröhnen aus. Bobby zog den Kopf ein, um die Ohren mit dem Jackenkragen abzuschirmen. Nach zehn Jahren Erfahrung als Streifenpolizist hatte er schon genügend Tatorte besichtigt. Er kannte die Geräusche und Gerüche.
    Aber dies hier war sein erster Tatort als Detective. Nach der nächsten Baumreihe blieb er abrupt stehen.
    Etwa fünfzehn oder achtzehn Detectives und bestimmt ein Dutzend Uniformierte. Dann noch die Männer mit ergrautem Haar in dicken Wollmänteln. Senior Officers – die meisten hatte Bobby schon bei Feiern gesehen, wenn Kollegen in die Pension verabschiedet wurden. Er entdeckte einen Fotografen und vier Typen vom Kriminallabor. Schließlich eine einzelne Frau – falls ihn sein Gedächtnis nicht täuschte, die stellvertretende Bezirksstaatsanwältin.
    Ein Haufen Leute, insbesondere, da es in Boston Vorschrift war, dass jeder, der an einen Tatort kam, einen schriftlichen Bericht verfassen musste. Diese Maßnahme sollte schaulustige Streifenpolizisten fernhalten.
    Eine aufgespannte blaue Plane am anderen Ende der Lichtung schien den Ground Zero zu markieren. Bisher jedoch konnte Bobby weder eine Leiche noch Hinweise auf ein Verbrechen erkennen.
    Er sah eine Wiese, ein Zelt und jede Menge schweigsamer Mordermittler.
    Ein Rascheln ertönte zu seiner Linken. Bobby drehte sich danach um. Zwei Menschen kamen über einen anderen Weg auf die Lichtung. Eine Frau mittleren Alters mit Schutzoverall, gefolgt von einem jüngeren Mann, ihrem Assistenten. Bobby erkannte die Frau. Christie Callahan war forensische Anthropologin.
    »O verdammt.«
    Noch mehr Bewegung. D. D. kam aus dem Zelt. Bobbys Blick wanderte von ihrem blassen, gefassten Gesicht über die Schutzkleidung zu der Dunkelheit hinter ihr.
    »O verdammt«, murmelte er noch einmal.
    D. D. steuerte direkt auf ihn zu.
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte sie. Es entstand ein peinlicher Moment – beide überlegten, ob sie sich mit Handschlag oder mit Küsschen auf die Wange begrüßen sollten. D. D. verschränkte schließlich die Hände auf dem Rücken. Sie würden sich professionell verhalten.
    »Ich wollte einen Sergeant nicht enttäuschen«, gab Bobby zurück.
    D. D. quittierte die Erwähnung ihres neuen Ranges mit einem angespannten Lächeln, enthielt sich aber eines Kommentars.
    »Der Fotograf hat die erste Serie bereits gemacht«, sagte sie energisch. »Wir warten noch, bis das Video fertig ist, dann kannst du hinuntergehen.«
    »Hinunter?«
    »Es ist eine unterirdische Kammer – der Zugang befindet sich unter der Plane. Keine Angst, da steht eine Leiter; der Einstieg macht keine Mühe.«
    »Wie groß ist die Kammer?«
    »Etwa sechs Quadratmeter. Da haben gleichzeitig höchstens drei Leute Platz, sonst kann man sich nicht mehr rühren.«
    »Wer hat die Kammer gefunden?«
    »Jugendliche. Letzte Nacht. Ich schätze, sie haben ein Plätzchen gesucht, an dem sie sich betrinken können. Offenbar fanden sie's hier so cool, dass sie heute Nacht mit Taschenlampen wieder hergekommen sind. Das dürfte ihnen jetzt gründlich vergangen sein.«
    »Sind sie noch hier?«
    »Die Sanitäter haben ihnen Beruhigungsmittel gegeben und sie weggebracht. Es ist besser so. Sie konnten uns
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