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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab
Autoren: Lisa Gardner
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seinen Sony-Minirekorder.
    Bobby schaute auf die Uhr. D. D. hatte ihm dreißig Minuten gegeben. Er würde es in fünfundzwanzig schaffen. Das ließ ihm fünf Minuten Zeit herauszufinden, was im Gange war.
    Bobby konnte Mattapan direkt über die I-93 erreichen. Die Zeit zwischen drei und fünf Uhr nachts waren vermutlich die einzigen zwei Stunden, in denen auf der 93 kein Stau herrschte. Er nahm die Ausfahrt Granite Avenue, bog nach links in den Gallivan Boulevard und dann auf die Morton Street ein. An einer Ampel hielt er neben einem alten Chevy. Die beiden Insassen, junge schwarze Männer, betrachteten erst seinen Crown Vic mit wissendem Blick, dann starrten sie ihn an, als wollten sie ihn am liebsten tot sehen. Bobby reagierte mit einem fröhlichen Winken. In der Sekunde, in der die Ampel auf Grün wechselte, gaben die Jungs Vollgas.
    Wieder einer dieser glanzvollen Momente bei der Polizeiarbeit.
    Bobby verließ das Viertel mit den Einkaufsstraßen und kam in eine Wohngegend mit dreistöckigen Häusern – ein Gebäude wirkte heruntergekommener als das nächste. Große Teile von Boston waren in den letzten Jahren zu neuem Leben erweckt worden, Siedlungen am Wasser hatten Luxuswohnungen Platz gemacht. Verlassene Lagerhäuser wurden zu Tagungs- und Kongresszentren. Einige Viertel hatten gewonnen – Mattapan gehörte jedoch nicht dazu.
    Die nächste Ampel. Bobby bremste ab, sah auf die Uhr. Noch acht Minuten. Er fuhr nach links, um den Mt. Hope Friedhof herum. Von hier aus konnte er das weitläufige Niemandsland rund um das Boston State Mental Hospital sehen.
    Das bewaldete Grundstück rund um das Boston State Mental Hospital war das größte Spekulationsobjekt der Stadt. Abgesehen davon galt der ehemalige Sitz eines hundert Jahre alten Irrenhauses als unheimlichster Ort in der Gegend.
    Zwei baufällige Ziegelgebäude thronten auf einem Hügel. Riesige kahle Eichen und Buchen ragten in den Nachthimmel wie Finger knorriger Hände.
    Man erzählte sich, dass das Hospital mitten im Wald erbaut worden war, damit die Patienten in einer friedlichen Umgebung gesund werden konnten. Nach etlichen Jahrzehnten mit überfüllten Gebäuden, seltsamen mitternächtlichen Schreien und zwei Morden sprachen die Leute in der Gegend immer noch von Lichtern in den Ruinen, unheimlichen Lauten, die aus dem alten Gemäuer hallten, und schemenhaften Gestalten, die durchs Gebüsch huschten.
    Bisher hatte noch keines dieser Gerüchte die Baulöwen abgeschreckt. Die Audubon Society hatte sich einen Winkel des Grundstücks gesichert und in einen Naturpark umgewandelt. An einer anderen Stelle wurden neue Labors für die Universität gebaut, während Gerüchte die Runde machten, dass zudem Restaurants, Wohnhäuser oder eine neue Highschool auf dem Gelände entstehen sollten.
    Der Fortschritt war nicht aufzuhalten – auch nicht in psychiatrischen Einrichtungen, in denen es angeblich spukte.
    Bobby bog um eine Kurve am anderen Ende des Friedhofs. Dort, auf der linken Seite, blitzten grelle Lichtstrahlen auf und stachen in die dunkle, mondlose Nacht. Die roten und blauen Lichter der Streifenwagen rotierten im Wald, und noch mehr kamen über die gewundene Straße heran. Bobby wartete, bis er die Umrisse des ehemaligen Hospitals sah, eine relativ kleine, dreistöckige Ruine kam in Sicht, aber die Polizeiautos rasten daran vorbei und fuhren in den Wald.
    D. D. hatte nicht gelogen. Die Bostoner Polizei hatte einen Fall, und so wie es aussah, musste es sich um eine große Sache handeln.
    Eine Minute vor der verabredeten Zeit passierte Bobby das weit offene schwarze Tor und fuhr auf die Ruinen zu.
    Nach wenigen Metern stieß Bobby auf den ersten Cop. Er stand mitten auf der Straße, trug eine orangefarbene Weste und hatte eine Taschenlampe in der Hand. Der Junge war kaum alt genug, um sich zu rasieren. Dennoch machte er ein einigermaßen finsteres Gesicht, während er Bobbys Dienstmarke begutachtete, und grunzte, als er begriff, dass Bobby von der Staatspolizei war.
    »Sind Sie sicher, dass Sie hier richtig sind?«
    »Keine Ahnung. Ich habe nur ›Tatort‹ ins Navigationsgerät eingegeben.«
    Der Junge sah ihn verständnislos an.
    Bobby seufzte. »Ich habe eine persönliche Einladung von Detective Warren. Falls Sie ein Problem haben, wenden Sie sich an sie.«
    »Sie meinen Sergeant Warren?«
    »Sergeant? Gut, gut.«
    Der Junge gab die Marke zurück, und Bobby fuhr den Hügel hinauf.
    Das erste verlassene Gebäude tauchte zu seiner Linken auf. Die vielen
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