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Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Titel: Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
Autoren: Ich liebte eine schöne Frau: Miniaturen
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zwischen den Fingern gedreht und hätte gern die Geschichte ihrer einstigen Besitzerin erfahren.
    »Hörst du das Rauschen des Windes?«, fragte sich Sindbad, als er eines Sonntagnachmittags im Winter dieses Zimmer bezog und im Ofen, der vom Gang aus beschickt wurde, die Holzscheite mit solchem Knistern, Prasseln und Knacken brannten, als wären unter der schneefeuchten Rinde der Fichtenscheite die erstarrten, irrlichternden Waldgeister erwacht, die jetzt mit ihren Fäusten gegen die Ofenwand hämmerten.
    Im Gang hängt immer noch derselbe Geruch alter Bierfässer, ist das Pörkölt zu riechen, das es tags zuvor als Gabelfrühstück gab und das die Reisenden mit von der Kälte geröteten Gesichtern auf ihre Messerklingen zu spießen und mit gutem Appetit zu verzehren pflegen. Im Hof lassen die Pferde, ihre Mähnen schüttelnd, die Glöckchen klingen, als wären sie am Weihnachtsabend irgendwohin unterwegs und hätten noch einen weiten Weg vor sich; die grauhaarige adelige Dame in einem Herrenmantel schlürft würzigen Glühwein; das Mittagsläuten vom Turm der fremden Stadt hat einen ungewohnten Klang, und der erkergeschmückte Turm mit seinen grünen Mauern protzt, als wollte er auf seine verrückten alten Tage noch jemandem gefallen. Das Glockengeläut setzt immer ein, wenn am Nordtor der Zylinder des Postkutschers aufzutauchen pflegt und das unförmige gelbe Gefährt auf seinen hohen Rädern feierlich lärmend über die steinerne Brücke rattert, durch die schneebedeckte Gasse vorbei an allerlei Lädchen, in denen sich die Besitzer schon geschäftig die Hände reiben, alshofften sie immer noch, dass mit der Post eines Tages der reiche Kunde einträfe und nicht immer nur die knausrige Lehrerin vom Dorf oder der Notar mit dem schief sitzenden grünen Hut, zusammen mit anderen Honoratioren, für die im
Ochsen
jeden Mittwoch und Samstag frisches Bier gezapft wird. Durch die saubere Gasse neben dem
Ochsen
, in der es nach Mönchskutten riecht, sieht Sindbad im Vorbeifahren durchs vereiste Fensterchen eine zunderbraune Reisemütze kommen, zu der ein langer Wolfsfellmantel gehört, graue Offiziershandschuhe und halbhohe Stiefelchen. Da ist sie, Franziska, die in ihrer Mädchenzeit zur winterlichen Ballsaison die begehrteste Tänzerin war; sie wohnte mit ihrer Mutter, wenn sie vom Land ins Städtchen kamen, im Eckzimmer 7, und unter dem nach Fürst Thököly benannten Erker erklangen von unten aus dem oft bis an die Hüften reichenden Schnee die Ständchen der Nachtschwärmer. In einer Winternacht, als sich der Geruch des Glühweins mit Düften aus den Ballkleidern der Damen mischte, die Frisuren der Tänzerinnen sich auflösten, die Haare flatterten wie langstielige Gräser im Wind und die süßlichen Walzerklänge selbst verschlossene Frauenlippen zum Mitsummen zwangen: da war Franziska viel gnädiger zu Sindbad, als der Seefahrer dies je verdient hätte. In jener vergangenen Ballnacht, als sie für kurze Zeit aus dem Ballsaal verschwand, hat Sindbad sie sich für immer verpflichtet; und noch eine Stunde später stammelte Sindbad wie ein schüchterner Student etwas von ewiger Treue, als Franziska ihn während der Quadrille, die sie tanzte, mit scharfen, kalten und verletzenden Blicken maß. »Verlassen Sie mich, gehen Sie doch, ich bin schlecht gelaunt!«, sagte das Mädchen. Im Morgengrauen ist Sindbad abgereist. Er drückte seinen schmerzenden Kopf, die brennende Stirn in die Ecke der verdunkelten Postkutsche, und die Ballmusik verhallte hinter ihm. Noch ein, zwei Tage danach trug der Wind manche Klangfetzen der Hochzeitsmusik an sein Ohr, als käme sie über einen Berg herüber, aus den Fenstern eines illuminierten Schlosses … Im Nachbarzimmer klopfte jemand drei Mal an die Wand. Auf dieses verabredete Zeichen hin wurde Sindbad so erregt und ängstlich wie immer, wenn er in seinem langen Leben zu einem Stelldichein gegangen war.
    »Wie weiß Ihre Haare geworden sind!«, sagte Franziska, nachdem sie Sindbad von Kopf bis Fuß gemustert hatte. »Seit damals habe ich oft versucht, mir Ihre Gestalt heraufzubeschwören, wenn ich an langweiligen Winterabenden vor dem Kamin saß und mir die Füße am Eisenrost wärmte. Doch es gelang mir nicht, ich kam stets nur bis zu Ihrer Stimme. Nur die Stimme eines Rosstäuschers, der mir einmal meine Halbblutstute abschwatzen wollte, hörte sich an wie die Ihre.«
    Sindbad lächelte wehmütig:
    »Ich habe dich niemals ganz vergessen.«
    »Das Lügen hätten Sie sich schon abgewöhnen
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