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Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
Autoren: Karlheinz Deschner
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Blick auf das kulturelle, vor allem erziehungspolitische Gebiet.
    Gewiß entstanden durch die Kirchen, zumal die römische Kirche, bedeutende Kulturwerte, besonders Bauten, was gewöhnlich höchst eigensüchtige Gründe hatte (Repräsentation der Macht), sowie auf dem Gebiet der Malerei, was gleichfalls ideologisch bedingt war (nicht endende Illustrationen von Bibelszenen und Heiligenlegenden). Doch beiseite, daß die vielgerühmte Kulturfreudigkeit im Gegensatz zum kulturellen Desinteresse des gesamten Urchristentums steht, das »nicht von dieser Welt«, das voller eschatologischer Geringschätzung derselben war und ihr unmittelbares Ende erwartete, eine fundamentale Täuschung, auch Jesu: die meisten Kulturleistungen der Kirche wurden durch rücksichtsloses Schröpfen der Massen ermöglicht, durch ihr Versklaven und Auspowern von Jahrhundert zu Jahrhundert. Und dieser Kulturförderung steht viel mehr Kulturhemmendes, Kulturvergiftendes und -vernichtendes gegenüber. Fast überall werden die herrlichsten Adoratorien des Heidentums zerstört, kostbare Bauwerke eingeäschert, geschleift, nicht zuletzt in Rom, wo man die Tempelreste als Steinbrüche benutzt, noch im 10. Jahrhundert haufenweis herumliegende Bildsäulen, Architrave, Gemälde zertrümmert, schöne Sarkophage als Waschwannen oder Schweinetröge gebraucht. Auch die grandiose maurische Kultur Spaniens wurde niedergetreten – – »ich sage nicht von was für Füßen« (Nietzsche). Und erst recht ruinierte der Katholizismus in Südamerika – neben vielen Millionen Menschenleben! – weit mehr an größten Kulturschätzen, als er je dort, trotz aller Ausbeutung, schuf. 26
    Kaum vorstellbar verheerend: sein Schaden im Bereich der Erziehung. Die alte Allgemeinbildung wird immer mehr aus den Schulen verbannt, der theologische Unterricht zum Unterricht schlechthin. Noch während des ganzen Mittelalters ist jede Wissenschaft nur nützlich, soweit sie die kirchliche Predigt stützt. Auf dem Konzil von Chalcedon tagen 40 Bischöfe, die Analphabeten sind. Päpste der folgenden Jahrhunderte rühmen sich ihrer Unwissenheit, können nicht Griechisch, sprechen schlecht Latein. Gregor I., »der Große«, neben Leo I. der einzige päpstliche Kirchenlehrer, brennt nach der Überlieferung eine reichhaltige Bibliothek auf dem Palatin nieder. Nicht einmal alle Päpste des 9. und 10. Jahrhunderts konnten wahrscheinlich lesen und schreiben.
    Die artes waren im Mittelalter bloß instrumentum theologiae, ja, wurden von vielen zeitweise als »Torheit und Possen« verdammt. (»Meine Grammatik ist Christus.«) Auch in den Orden sind die »illiterati et idiotae« zahlreich. Vom blühenden Buchhandel der Antike ist nichts mehr vorhanden, die Tätigkeit in den Klöstern rein rezeptiv. Noch 300 Jahre nach dem Tod Alkuins und Rhabans unterweist man Schüler aus denselben Lehrbüchern, die jene schrieben. Und noch laut Thomas von Aquin, dem offiziellen Kirchenphilosophen, ist das Streben nach Erkenntnis »Sünde«, wenn es nicht »die Erkenntnis Gottes« bezweckt! 27
    Unterricht erhält überhaupt nur eine verschwindende Schicht. Besteht ja noch heute der größte Teil der Klugheit des Klerus in der Dummheit der Laien. Selbst die meisten christlichen Fürsten sind bis in die Stauferzeit nicht schreibkundig – eine bestimmte Strichführung gilt auf kaiserlichen Urkunden als Vollziehungserklärung. Der mittelalterliche Adel ist lange Zeit »thumb« und kann so leicht vom Klerus übers Ohr gehauen werden. Und die Volksmassen vegetieren im Zustand völligen Analphabetentums bis tief in die Neuzeit hinein. Bekennt doch noch nach dem Ersten Weltkrieg, da zwei Drittel aller Spanier endemisch unterernährt und noch 1930 selbst in Madrid 80000 Kinder ohne Unterricht sind, der katholische Erziehungsminister Bravo Murillo, als er eine Schule für 600 Arbeiter genehmigen soll: »Wir brauchen keine Menschen, die denken, sondern Ochsen, die arbeiten können.« 28
    An den Universitäten unterband der hypertrophe Aristotelismus die Möglichkeit selbständiger Erkenntnisse beträchtlich. Nicht nur Philosophie und Literatur standen weitgehend unter dem Diktat der Theologie, auch Geschichte als Wissenschaft war unbekannt. Experiment und induktive Forschung wurden verbannt, die Erfahrungswissenschaften durch Bibel und Dogma erstickt, Naturwissenschaftler in Gefängnisse und auf Scheiterhaufen getrieben. 1163 verbietet Papst Alexander III. – er hat, um einmal auch daran zu erinnern, vier Gegenpäpste! –
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