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David Roth und andere Mysterien

David Roth und andere Mysterien

Titel: David Roth und andere Mysterien
Autoren: Zoi Karampatzaki
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Prolog
     
    Dieses Treffen erschien mir suspekt. Deshalb war die Situation, nicht die finnische Kälte, die draußen wütete – hier in Helsinki war sie oft trocken und schneidend – für mein unterschwelliges Zittern verantwortlich. Ich kam aus Lappland. Wenn es dort minus dreißig Grad war, dann fror ich. Was wahre Kälte war, die einem das Leben aus dem Körper saugte, erfuhr man im rauen finnischen Norden.
    Ich war nervös, und das widersprach vollkommen meiner Persönlichkeit. Das machte mich wütend. Mein Chef, Billy Walker, zitierte mich normalerweise nie ohne eine Erklärung in sein Landhaus nördlich von Helsinki. Dass er mich mit drei anderen Kerlen an seinem privaten Rückzugsort antanzen ließ, war Grund zur Sorge. Ich kannte keinen von ihnen. Die drei saßen in Billys Wohnzimmer auf den Sofas vor dem Kamin, in dem ich ein wärmendes Feuer entfacht hatte. Weil Billy selbst auf sich warten ließ und ich gezwungenermaßen meinen eigenen Schlüssel benutzt hatte, stand ich. In Finnland war die Sache mit der Etikette etwas komplizierter, daher war nicht schwer zu erraten, dass es sich bei diesen drei Kerlen nicht um Finnen handelte. Man setzte sich als Gast nicht einfach irgendwo hin.
    Davon abgesehen hatte ein blonder Zwerg seinen glatzköpfigen Freund vorher auf Schwedisch angesprochen. Der dritte Kerl, ein Schwarzhaariger, machte sich schweigend in einer Ecke auf jenem Sessel breit, den Billy sonst immer mir anbot.
    He, du Dreckskerl. Das ist mein scheiß Sessel.
    Vielleicht lag es an den angespannten historischen Beziehungen zu unseren Nachbarn, dass wir Finnen abweisender waren als andere Nationen. Passend dazu entsprach es meiner Natur, kühl zu sein und damit Leute abzuschrecken. Ich fand es amüsant und mein Ruf bei potenziellen Kunden war dementsprechend.
    Aus diesem Grund übernahm ich oft Bodyguard-Aufträge. Die waren meist recht schnell vorbei, weil sich kaum ein Dämon mit Intelligenz an die von mir beschützte Zielperson herantraute. Meine Kollegen nutzten die gewonnene Zeit dann, um die tückischen Wesen auszuschalten.
    Ich bezweifelte allerdings, dass es um einen gewöhnlichen Auftrag ging. Ich war Billys bester Mann, wir waren gute Freunde. Was auch immer ich bald erfahren würde: Es war bedeutsam.
    Sonst hätte er den schwedischen Männern meine Anwesenheit nicht zugemutet. Ich verstand mich nicht gut mit Angehörigen dieser Nation. Sie schwebten in unmittelbarer Gefahr, durch meine bloßen Hände umzukommen.
    Billy zuliebe riss ich mich zusammen. Ich machte mir Sorgen um meinen Chef. Ich alleine wäre bereits schweres Geschütz gewesen. Also betraf es seine Familie. Seine Frau war meine Schwester Clara – ein weiterer Grund, unruhig zu sein. Die beiden hatten vor knapp sieben Jahren geheiratet und Clara erwartete ihr drittes Kind. Ich wollte mir nicht ausmalen, warum Billy mich angerufen hatte. Meinetwegen konnte alles und jeder in Gefahr sein. Alles, nur nicht Claras Familie.
    Um Mitternacht hatte das Handy geklingelt, das ich bei der Arbeit benutzte. Privat brauchte ich keines; in meinem Beruf lohnten sich enge Freunde nicht. Wäre Billy nicht mein Chef, hätten wir uns nie angefreundet. Das Handy-Ding gab jedenfalls nur in zwei Situationen nervige Pieptöne von sich: Entweder bekam ich während eines Auftrags eine neue Anweisung, oder es gab ein gewaltiges Problem.
    Dass ich nun mit diesen unsympathischen Fremden, zwei von ihnen Schweden, auf meinen Chef wartete, deutete auf die letzte Möglichkeit hin. Obwohl mich ein Hauch der knisternden Wärme des Kaminfeuers erreichte, musste ich in meiner Ecke erschauern. In all den Jahren, die ich als Billys Angestellter verbracht hatte, hatte ich noch nie erlebt oder davon gehört, dass Billy geheimniskrämerisch seine besten Männer zusammengetrommelt hatte.
     
    ***
     
    Die Zeit verstrich zu langsam. Das Schweigen zog sich in die Länge, und ich nahm mir vor, nach draußen zu gehen, sollte Billy in einer Viertelstunde nicht aufgetaucht sein. Ich wollte den klaren Sternenhimmel sehen, den Schnee unter meinen Stiefeln knirschen hören. Ausgerechnet heute könnte sich der lächerlich überzivilisierte Süden meines Landes meiner Anwesenheit zu Ehren mit einem Polarlicht schmücken. In Lappland sah man in vielen Winternächten ein Polarlicht. Der Winter steckte meiner Heimat stets hartnäckig in den Knochen. Er dauerte ungefähr von Ende September bis Ende Mai an und verzauberte mich jedes Mal von Neuem mit seiner wochenlangen Nacht. Im Sommer
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