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Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
Autoren: Karlheinz Deschner
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Texte der Medien etwa, durch Nachrichten, Reden, Predigten, er kann sie »mit hundert Gesichtern« erfahren (Braudel). Doch wie unentwirrbar der wilde Knäuel historischer Ereignisse, Interessenlagen, Einflußnahmen, wie kompliziert der Organismus der Gesellschaft ist, eines zum Beispiel kann jeder feststellen, scheint nicht nur unbestritten, sondern unbestreitbar: in aller Welt gab und gibt es eine kleine Minderheit, die herrscht, und eine große Mehrheit, die beherrscht wird, gab und gibt es einen winzigen Klüngel perfider Profiteure und ein gigantisches Heer Erniedrigter, Beleidigter. »Wie wir auch Staat und Gesellschaft definieren mögen, so bleibt immer ein Gegensatz zwischen der Masse der Regierten und der kleinen Zahl der Regierenden« (Ranke). Dies gilt für das Zeitalter der Raumfahrt und industriellen Revolution ebenso wie für die Epoche des Kolonialismus oder den ganzen abendländischen Handelskapitalismus und die antike Sklavenhaltergesellschaft. So ist es jedenfalls in den 2000 Jahren, die uns beschäftigen, immer gewesen, vielleicht nicht als Gesetz-, doch als Regelmäßigkeit. Niemals herrschte das »Volk«! Immer herrschte ein sogenanntes Macht- und Sicherheitsstreben, herrschte eine Minorität, die die Majorität unterdrückte, verbrauchte, sie abschlachten ließ und mit ihrer Hilfe abschlachtete, mehr oder weniger, zugegeben, gewöhnlich aber eher mehr. Die Geschichte, mit der wir es zu tun haben, konstituiert sich in allen Jahrhunderten aus Herrschaft und Erniedrigung, ausbeutender Ober- und ausgebeuteter Unterschicht – heute »Regierungsverantwortung« genannt, auch noch immer Geschichte der menschlichen Zivilisation, ja der menschlichen Kultur, und sogar mit Recht, sind darin die »Kulturvölker« doch führend. 31
    »Die Geschichte wiederholt sich nicht«; das wiederholt sich dauernd – wie die Geschichte: in sozialen Spannungen, Aufständen, wirtschaftlichen Krisen, Kriegen, also in ihren Haupt- und Staatsaktionen, die freilich noch im kleinsten, privatesten Rahmen sich spiegeln, im Herr-und-Knecht-, im Freund-und-Feind-Verhältnis. So gesehen »passiert«
grundsätzlich
überhaupt nichts Neues, denn es bleibt sich
qualitativ
gleich, ob man Macht mit Pfeil und Bogen, mit Vorderladern, Maschinengewehren oder atomar ausübt. Geschichte ist ein Schauspiel aus ungezählten Akten – vor allem der Gewalt; ein steter Fortschritt auch vom Kopfjäger etwa zum Gehirnwäscher, vom Blasrohr zur Rakete, vom Faustrecht zum Recht, dem Faustrecht in Paragraphen, der Maske der Gewalt, von Friedensschluß zu Friedensschluß, von Metastase auch zu Metastase, von Fall zu Fall.
    Dies ist das Kontinuum im Wandel der Geschichte, die sie in ihrer Tiefe prägende Struktur. Dies ist das Sichere im Wechsel, die eigentliche »histoire de longue durée« (Braudel), länger jedoch als die Zeitspannen, die dieser Begriff umfaßt, ein Jahrtausende überdeckendes »Modell«, ein mehr oder weniger gleich bleibender Rhythmus, eine Art »histoire biologique«. Es ist fast wie der Wellenschlag des Meeres, das Wachstum der Natur, die sich auf ihre Weise wiederholt, mag dies vielleicht auch absichtslos geschehen (durch Kausalgesetze von nur noch statistischem Wahrscheinlichkeitscharakter) und die Geschichte mit Absicht und Willen, durch menschlich intendiertes Handeln. 32
    Gewiß besteht alle Geschichte auch aus einmaligem, unwiederholbarem menschlichen Tun. Gewiß hat die vom Historismus herausgestellte anthropologische Dimension, die Kategorie der Individualität, wie überall, so auch hier ihr Recht: die Bedeutung der Eigenart einer bestimmten historischen Person, die Relevanz der Einzigartigkeit der Phänomene. Aber es gibt auch das Allgemeine, Durchgehende, Konstante, tausendfach empirisch belegbar; ohne daß man freilich zu glauben brauchte, wie Hobbes etwa, Gobineau, Buckle, die Geschichte mit der Perfektion und Präzision der Naturwissenschaften betreiben zu können, eine Geschichte, von der Edmund Burke in seinen
›Reflections on the Revolution in France‹
1790 schrieb, sie bestehe »zum größeren Teil aus dem Elend, das über die Welt gebracht ist durch Stolz, Ehrgeiz, Habsucht, Rache, Wollust, Aufruhr, Heuchelei, unbeherrschten Eifer und die ganze Reihe zügelloser Triebe ... Diese Laster sind die Ursachen dieser Stürme. Religion, Moral, Gesetze, Vorrechte, Privilegien, Freiheiten, Menschenrechte sind die Vorwände«. Konnte doch auch Kant »bei Menschen und ihrem Spiele im großen gar keine
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