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Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1)
Autoren: Joe Abercrombie
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Raum zu verlassen, beinahe über Neunfingers Fuß. Alle anderen blieben bewegungslos stehen, wie Statuen. Jezal hörte eilige Schritte auf dem Gang draußen; die Praktikalen rannten um ihr Leben. Er beneidete sie beinahe. Sie, so schien es, konnten fliehen. Er war in diesem Albtraum gefangen.
    »Wir müssen aufbrechen, sofort!«, bellte Bayaz und verzog wie von Schmerzen geplagt das Gesicht. »Sobald ich meine Hosen angezogen habe. Helfen Sie ihm, Langfuß!«, rief er dem Wegkundigen im Gehen zu. Der war tatsächlich einmal sprachlos und blinzelte nur. Dann kam er hinter dem Tisch hervor und beugte sich über den bewusstlosen Nordmann, riss ein Stück seines zerfetzten Hemdes ab, um es als Verband herzunehmen. Stirnrunzelnd hielt er inne, als sei er sich nicht sicher, wo er anfangen sollte.
    Jezal schluckte. Er hielt den Degen noch in der Hand und schien nicht die nötige Kraft aufbringen zu können, um ihn wieder wegzustecken. Stückchen des unglücklichen Praktikalen waren über den ganzen Raum verteilt, klebten an den Wänden, an der Decke, an den Menschen. Jezal hatte noch nie zuvor jemanden sterben sehen, schon gar nicht auf derart schreckliche und unnatürliche Weise. Vermutlich hätte er entsetzt sein sollen, dachte er, aber stattdessen fühlte er eine geradezu überwältigende Erleichterung. Seine bisherigen Sorgen waren zu Kleinigkeiten geschrumpft. Er zumindest war noch am Leben.

MIT ALLEN VORHANDENEN WAFFEN
    Glokta stand in dem engen Flur, wartend auf seinen Stock gestützt. Durch die Tür hindurch konnte er laute Stimmen hören.
    »Keine Besucher, habe ich gesagt!«
    Er seufzte leise. Er hatte Besseres zu tun, als hier auf seinem schmerzenden Bein zu stehen, aber er hatte sein Wort gegeben, und er beabsichtigte, es zu halten. Es war ein schäbiger, unauffälliger Flur in einem schäbigen, unauffälligen Haus zwischen Hunderten von anderen, die ähnlich aussahen. Das ganze Viertel war erst vor kurzer Zeit gebaut worden, mit Reihenhäuschen nach der neuesten Mode: halb in Fachwerk errichtet, mit drei Stockwerken, ausreichend für vielleicht eine Familie und einige Dienstboten. Hunderte von Häusern, die einander mehr oder weniger glichen. Häuser für angesehene Bürger. Neureiche. Emporkömmlinge, hätte Sult vermutlich gesagt. Bankiers, Kaufleute, Künstler, Ladenbesitzer, Schreiber.
Vielleicht dient das eine oder andere Haus auch als Stadtwohnung für einen wohlhabenden Hofbesitzer, so wie das hier.
    Die Stimmen waren wieder verstummt. Glokta hörte Bewegungen, etwas wie Gläserklingen, dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit, und das Dienstmädchen spähte hinaus. Ein unansehnliches Mädchen mit großen, wässrigen Augen. Sie sah verängstigt und schuldbewusst aus.
Aber das
bin ich ja gewöhnt. In Gegenwart der Inquisition wirkt jeder verängstigt und schuldbewusst.
    »Sie möchte Sie nun empfangen«, nuschelte das Mädchen. Glokta nickte und schlurfte an ihr vorbei in das Zimmer, das hinter der Tür lag.
    Er hatte einige verschwommene Erinnerungen an seinen Besuch bei Wests Familie, die er für ein oder zwei Wochen da oben in Angland einmal aufgesucht hatte, vor zwölf Jahren oder so, obwohl es ihm eher wie hundert vorkam. Er erinnerte sich, wie er mit West im Innenhof des Hauses Duelle ausgefochten und wie ihnen jeden Tag ein dunkelhaariges Mädchen mit ernstem Gesicht dabei zugesehen hatte. Er erinnerte sich an eine junge Frau im Park, vor gar nicht allzu langer Zeit, die ihn gefragt hatte, wie es ihm gehe. Damals hatte er große Schmerzen gehabt und kaum richtig sehen können, daher war er sich nicht mehr sicher, wie sie tatsächlich aussah. Dennoch, auf solche Schwellungen war er nicht gefasst gewesen. Er war fast ein bisschen schockiert, wenn auch nur kurz.
Obwohl ich das gut verbergen kann.
    Dunkel, blaurot und braun und gelb unter ihrem linken Auge, das untere Lid war stark geschwollen. Ebenso wie der Bereich rund um den Mundwinkel; die Lippe war gesprungen und verschorft. Glokta kannte sich mit solchen Prellungen besser aus als fast jeder andere.
Und ich kann mir kaum vorstellen, dass sie sich diese Blessuren zufällig zugezogen hat. Sie wurde ins Gesicht geschlagen, von jemandem, der ihr wirklich wehtun wollte.
Er sah diese hässlichen Spuren an, und er dachte an seinen alten Freund Collem West, wie er in seinem Esszimmer weinte und ihn um Hilfe bat, und er zählte zwei und zwei zusammen.
    Interessant.
    Sie saß währenddessen da, sah ihn mit erhobenem Kinn an, wobei sie ihm die Seite
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