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Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1)
Autoren: Joe Abercrombie
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ihres Gesichts zuwandte, die die meisten Verletzungen aufwies, als wolle sie ihn zu einem Kommentar provozieren.
Sie ist ihrem Bruder nicht besonders ähnlich. Überhaupt nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in meinem Esszimmer zu heulen anfinge, weder da noch sonst wo.
    »Was kann ich für Sie tun, Herr Inquisitor?«, fragte sie ihn kalt. Ihm fiel auf, dass sie das Wort Inquisitor ein kleines bisschen verwischt aussprach.
Sie hat getrunken … obwohl sie das gut verbirgt. Nicht genug, um ihre Klugheit zu vernebeln.
Glokta spitzte die Lippen. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, sehr vorsichtig vorgehen zu müssen.
    »Ich bin nicht aus beruflichen Gründen hier. Ihr Bruder hat mich gebeten …«
    Sie fiel ihm grob ins Wort. »Hat er? Tatsächlich? Sollen Sie aufpassen, dass ich nicht den falschen Kerl ficke, oder was?« Glokta wartete ab, ließ ihre Worte auf sich wirken, dann begann er leise vor sich hin zu kichern.
Oh, das ist ja großartig! Ich fange richtig an, sie zu mögen!
»Gibt es da was zu lachen?«, fauchte sie.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Glokta und wischte sich mit einem Finger über sein tränendes Auge, »aber ich habe zwei Jahre in den Gefängnissen des Imperators verbracht. Hätte ich damals geahnt, dass ich es dort auch nur halb so lange würde aushalten müssen, hätte ich wahrscheinlich etwas entschlossener versucht, mich umzubringen. Siebenhundert Tage, vielleicht auch ein paar mehr oder weniger, in der Dunkelheit. So nahe an der Hölle, wie ein lebender Mann je kommen kann, würde ich sagen. Damit meine ich – wenn Sie mich schockieren möchten, dann werden Sie mehr aufbieten müssen als eine grobe Ausdrucksweise.«
    Glokta gönnte ihr sein Ekel erregendstes, zahnlosestes, verrücktestes Lächeln. Es gab wirklich nur wenige Menschen, die diesen Anblick längere Zeit aushielten, aber sie sah nicht einmal weg. Es dauerte nicht lange, und sie lächelte sogar zurück. Ein schiefes, ganz eigenes Grinsen, das er seltsam entwaffnend fand.
Vielleicht versucht sie es jetzt mit einem Richtungswechsel.
    »Es ist jedenfalls so, dass Ihr Bruder mich gebeten hat, nach Ihrem Wohlergehen zu sehen, während er unterwegs ist. Was mich betrifft, können Sie ficken, wen immer Sie wollen, obwohl ich ganz allgemein festgestellt habe, dass es im Fall einer jungen Dame am besten ist, wenn sie so wenig wie möglich fickt. Für einen jungen Mann gilt selbstverständlich das genaue Gegenteil. Das ist nicht gerade gerecht, aber da das Leben nun mal in vieler Hinsicht ungerecht ist, ist das kaum der Rede wert.«
    »Tja. Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen.«
    »Gut«, sagte Glokta, »dann verstehen wir uns also. Ich sehe, dass Sie sich im Gesicht verletzt haben.«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich bin gestürzt. Ich bin ja so ungeschickt.«
    »Ich kann das nachvollziehen. Ich selbst bin so ungeschickt, dass ich mir die Hälfte meiner Zähne ausgeschlagen und mein Bein zu einem nutzlosen Fleischklumpen zerhackt habe. Sehen Sie mich jetzt nur an, ich bin ein Krüppel. Es ist schon erstaunlich, wohin ein wenig Ungeschick führen kann, wenn man nicht aufpasst. Wir Ungeschickten sollten zusammenhalten, meinen Sie nicht auch?«
    Sie sah ihn einen Augenblick nachdenklich an und strich über die Schwellungen am Kinn. »Ja«, sagte sie, »ich denke auch, das sollten wir.«
     
    Goyles Praktikalin, Vitari, lag Glokta gegenüber hingestreckt auf einem Sessel, direkt vor den großen dunklen Türen, die zu den Diensträumen des Erzlektors führten. Sie war dort hineingesunken, geradezu wie hingegossen, lag da wie ein nasser Lappen, ließ die langen Glieder baumeln und stützte den Kopf gegen die Lehne des Möbels. Ihre Augen glitten von Zeit zu Zeit unter den schweren Lidern faul durch den Raum und ruhten gelegentlich für beleidigend lange Augenblicke auf Glokta selbst. Sie bewegte allerdings nie den Kopf oder auch nur einen Muskel, als ob diese Mühe für sie mit Schmerzen verbunden sei.
    Was höchstwahrscheinlich durchaus der Fall ist.
    Offensichtlich war sie in eine höchst gewalttätige Schlägerei verwickelt gewesen, einen Nahkampf. Ihr Hals war dort, wo er über ihren schwarzen Kragen ragte, von zahllosen bunt schillernden Schwellungen überzogen. Weitere Verletzungen, noch wesentlich mehr sogar, waren rund um ihre schwarze Maske sichtbar, und ein langer Schnitt zierte ihre Stirn. Eine ihrer herabhängenden Hände war dick bandagiert, die Knöchel der anderen waren abgeschürft und verschorft.
Sie hat
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