Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1)
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
Felsspalte, wuchs ins Nichts hinein und breitete sein Blattwerk in die leere Luft. Ganz weit unten gurgelte der Fluss schnell und zornig dahin, und sein weiß schäumendes Wasser war von zackigem schwarzem Gestein eingefasst. Das an sich war schon ziemlich übel, aber das ärgste Problem lag noch etwas näher. Der große Schanka war noch immer bei ihm. Er schwang sanft hin und her, während seine dreckigen Hände Logens Knöchel fest umklammert hielten.
    »Scheiße«, murmelte Logen. Er steckte ziemlich in der Klemme. Zwar hatte er schon eine ganze Reihe wirklich übler Klemmen überlebt, von denen sich dann später in guten Geschichten erzählen ließ, aber im Augenblick konnte man sich schwerlich eine schlimmere vorstellen. Das brachte ihn dazu, über sein Leben nachzudenken. Rückblickend erschien es ziemlich bitter und sinnlos. Niemandem ging es irgendwie besser, nur weil es ihn gegeben hatte. Er hatte viel Gewalt und Schmerz erlebt, gemischt mit Kämpfen und Enttäuschungen. Seine Hände wurden nun allmählich müde, und seine Unterarme brannten. Es sah nicht so aus, als wollte der große Plattkopf in nächster Zeit von ihm abfallen. Stattdessen hatte der sich ein kleines Stückchen das Bein empor gezogen, hielt nun aber inne und starrte Logen an.
    Wäre es umgekehrt gewesen und Logen hätte am Fuß des Schanka gebaumelt, hätte er vermutlich gedacht: Mein Leben hängt von diesem Bein ab, an dem ich da hänge – also besser nichts riskieren. Einem Menschen wäre es wichtiger gewesen, sein Leben zu retten, statt seinen Feind zu töten. Das Problem war allerdings, dass die Schanka nicht so dachten, wie Logen sehr wohl wusste. Daher war es für ihn keine echte Überraschung, als sein Gegner das große Maul aufriss und die Zähne in Logens Wadenbein grub.
    »Aaaaargh!«, brüllte Logen, er heulte und versuchte, so hart wie möglich mit den nackten Füßen zuzutreten. Immerhin schlug er dem Schanka ein blutendes Loch in den Schädel, aber der Plattkopf hörte nicht auf zu beißen, und je mehr er trat, desto mehr rutschten seine Hände von der glitschigen Wurzel ab. Er hatte jetzt nicht mehr allzu viel Wurzel zum Festhalten, und das bisschen, das er noch gepackt hielt, sah so aus, als werde es jeden Augenblick abreißen. Er versuchte, an etwas anderes zu denken als an den Schmerz in seinen Händen, den Schmerz in seinen Armen und an die Zähne des Plattkopfs in seinem Bein. Er würde abstürzen.
    Fragte sich nur, ob auf die Felsen oder in den Fluss – welches von beidem, das würde sich dann vermutlich irgendwie ergeben.
    Wenn man etwas tun muss, vor dem man sich fürchtet, dann geht man die Sache besser gleich an, statt lange mit der Angst zu leben. Das hätte Logens Vater gesagt. Also stemmte Logen den freien Fuß fest gegen die Felswand, nahm einen letzten langen Atemzug und schleuderte sich mit aller verbliebenen Kraft in die Leere unter sich. Er fühlte, dass die zubeißenden Zähne ihn freigaben, dass die Hände ihn losließen, und für einen Augenblick war er frei.
    Dann begann er zu fallen. Und zwar schnell. Die Wände der Schlucht schossen an ihm vorbei – grauer Fels, grünes Moos, Flecken weißen Schnees stürzten in wilder Folge an ihm vorüber.
    Logen drehte sich langsam und mit hilflos fuchtelnden Armen in der Luft. Zum Schreien hatte er zu viel Panik. Der pfeifende Wind peitschte seine Augen, zerrte an seinen Kleidern, riss ihm den Atem aus dem Mund. Er sah, wie der große Schanka gegen die Felswand neben ihm prallte. Er sah, wie der Körper seines Feindes zerschellte, abprallte und noch weiter in die Tiefe sauste. Der war hinüber, das stand fest. Es war ein höchst angenehmer Anblick, aber Logens Befriedigung war nur von kurzer Dauer.
    Das Wasser stürzte ihm entgegen. Es traf ihn in die Seite, wie ein angreifender Bulle, presste ihm die Luft aus den Lungen, schlug ihm allen Verstand aus dem Kopf, saugte ihn ein und hinunter in die kalte Dunkelheit …

ERSTER TEIL
     
    »Die Klinge selbst
verführt zu
blut’ger Tat«
 
HOMER
     

DIE ÜBERLEBENDEN
    Das Schmatzen kleiner Wellen. Das war das Erste, was an seine Ohren drang. Das Rauschen des Wassers, der Bäume, das gelegentliche Kreischen und Zwitschern eines Vogels.
    Logen öffnete die Augen einen Spalt weit. Licht schien verschwommen durch ein helles Blätterdach. Das war der Tod? Er versuchte tief Luft zu holen, würgte, hustete Wasser aus der Lunge und Dreck aus dem Mund. Stöhnend drehte er sich auf Hände und Knie, kroch aus dem Fluss und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher