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Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)

Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)

Titel: Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)
Autoren: Peter Nowotny
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PROLOG
    Mittlere Steinzeit
    Ifengebiet, Kleinwalsertal
    Tagelang schon peitschte der Regen über den grün bewachsenen Bergrücken, der sich oberhalb der Lagerstätte zwischen zwei mächtigen Felsbergen hinzog. Er kam aus dem Land jenseits ihres Jagd- und Sammelgebietes, dort, wo die Sonne Abend für Abend verschwand, um am nächsten Tag auf der anderen Seite über einem der gezackten Gipfel wieder aufzutauchen. Drohend erhoben sich ringsum die Bergketten, und die Frauen der Gruppe schauten ängstlich dorthin. Demnächst würden sie weiterwandern, auf der Suche nach neuen Lebensräumen. Hier, wo bisher üppiges Gras wuchs und die krüppeligen Bäume weit hinaufreichten, hatten sie ein gutes Gebiet für ihre Streifzüge gefunden und viele Gämsen, Steinböcke und andere Tiere jagen und mit ihren Feuersteinpfeilen und Speeren erlegen können. An einer überhängenden Felswand, nahe einem schmalen Einschnitt, hatten sie aus Stangen und Ästen ein Lager errichten und einigermaßen geschützt leben können. Weiter unten im Tal gab es nur Sumpfland, Gestrüpp, tief eingeschnittene Bäche und wilde Tiere. Oberhalb der finsteren Wälder konnten sie sich besser fortbewegen als im Tal, und auch ihre Schafe fanden noch Weideflächen.
    Drei Männer stiegen auf das Lager zu. Einer von ihnen hatte einen Gämsbock auf den Schultern. Die beiden anderen folgten ihm, sie trugen Pfeile, Bogen, Speere und Steinäxte. Ihre dichten Grasmäntel troffen vor Nässe, und die Hauben aus Steinbockleder schützten die Gesichter nur notdürftig. Um die Beine waren lederne Gamaschen gewickelt, die Füße steckten in primitiven Sandalen. Unter den Mänteln waren sie in eine Art Lederwams gekleidet, der von Gürteln aus Sehnen erlegter Gämsen gehalten wurde. Darin steckten zu Messern gehauene Feuersteine von einem Berghang, der Richtung Mittagssonne lag. Wegen der vielen Bären war es dort allerdings für sie gefährlich, danach zu suchen. Manchmal trafen sie aufeinander und machten sich gegenseitig wilden Honig und süße Beeren streitig.
    Schon von Weitem nahmen sie den Rauch des Lagerfeuers wahr, den der Wind auf sie zutrieb. Sie hoben die Köpfe und schnüffelten laut hörbar. Ihre dicht behaarten Gesichter verzogen sich zu einem freudigen Grinsen, und sie stießen Freudenrufe aus. Feuer bedeutete, bald aus diesem Dauerregen in den trockenen Schutz von Felswand und Sträucherdach zu gelangen und sich ausruhen zu können, während die Frauen den Gämsbock zerlegten und seine Fleischstücke über dem Feuer brieten.
    Lautlos kreisten zwei Raben über ihnen. Als das Feuer sichtbar wurde, machten sich die Männer mit lautem Rufen bemerkbar. Über weitere Strecken verwendeten sie ein langes, unten gekrümmtes Horn aus einer am Hang gewachsenen Fichte, das sie aushöhlten und hineinbliesen. Der dumpf klingende Ton trug über die Täler und diente zur Verständigung, aber auch zur Warnung.
    Als sie das Feuer erreicht hatten, wurden sie mit einem vielstimmigen Begrüßungsgeschrei empfangen. Mehr als ein Dutzend Männer, Frauen und Kinder drängten sich um das Lagerfeuer und sahen ihnen erwartungsvoll entgegen. Als der Träger den Bock zu Boden gleiten ließ, stürzten sich zwei Frauen darauf, zerrten das Tier auf die Seite und begannen sogleich mit dem Zerlegen. Die drei Jäger warfen die nassen Mäntel ab, rieben sich die Hände über dem Feuer, lagerten sich zu den anderen und berichteten von ihrer Jagd.
    Der Jäger, der auf dem Heimweg in der Mitte gegangen war, schien der Älteste zu sein. Sein wirres Haar war angegraut, und tiefe Furchen durchzogen sein Gesicht. Eine wild verwucherte Narbe lief über die linke Gesichtshälfte bis hin zum Haaransatz, Überbleibsel eines Tatzenhiebes von einem Bären, dem der Mann zu nahe gekommen war.
    Der Träger des Bockes hatte seinem Haar- und Bartwuchs mit einem scharfkantigen Feuersteinmesser das wilde Aussehen genommen. Er war sehnig und mochte dreißig Sonnenzeiten noch nicht erreicht haben. Über Stirn und Kopf trug er ein Lederband, in dem hinten die Federn eines der großen Vögel steckten, die im Frühjahr laut glucksend über die grüne Ebene strichen und manchmal nichts anderes zu sehen und zu hören schienen als den Nachbarhahn, der ihnen die Henne streitig machte.
    Der Dritte im Bunde der Jäger war stämmig, geradezu grobschlächtig, und seine Beine ähnelten in ihrer Krümmung seinem Bogen, den er neben sich liegen hatte. Auf der Lederhaube hatte er mit Sehnen das Gehörn eines Rehbockes
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