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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger
Autoren: Robert Löhr
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er
alterslos, sein braunes Haar war noch voll und sein Kinn makellos geschoren.
Auch mit seinem ausgesuchten Gewand von Erfurter Blau bewies er unter allen
Anwesenden den meisten Stil und die größte Eitelkeit. In der Gegenwart Reinmars
blieb Walther jedoch wortkarg.
    Der Landgraf trat hinzu, seine hochschwangere Frau Sophia an der
Hand; beide überaus reich gekleidet in Schwarz, Rot und Weiß, mit Krägen von
Zobel und Hermelin – der Landgraf eine Majestät, so schien es Biterolf in
diesem Augenblick, die über sich nur den König; die Landgräfin eine Anmut, die
über sich nur die Gottesmutter duldete. Noch während sich die anderen
verbeugten, begrüßte Hermann Walther mit einem Kuss auf die Wange.
    »Ihr müsst verzeihen, dass ich Walther zumindest für den Augenblick
den Vorrang gebe«, erklärte er, »aber als mein Lehnsmann hat er ein Anrecht
darauf. Künftig werde ich aber nicht mehr unterscheiden zwischen Euch Sängern,
und Euch ohne Ansehen von Stand und Alter gleich behandeln.«
    Nun begrüßte das Landgrafenpaar auch Wolfram und Biterolf. Er
schätze sich glücklich – sagte Hermann mit einer Hand auf Biterolfs Schulter –,
neben dem tugendhaften Schreiber einen weiteren Landsmann an seinem Hof zu
wissen, der die Fahne hochhalte für Thüringens Dichtkunst. Dann übergab er den
Sängern Gastgeschenke, die sein Kanzler ihm anreichte; für Reinmar eine Mütze
aus Fuchspelz, einen goldenen Ring für Wolfram und für Biterolf einen Dolch
samt kunstvoll gearbeiteter Scheide. Walther bekam eine schmucklose Geldkatze,
in der einige Münzen klimperten.
    »Seit dem Hoftag von Mainz hat es keine derartige Versammlung von
Barden gegeben«, sagte Hermann, nachdem man auf den ebenhölzernen Stühlen Platz
genommen hatte, »aber anders als in Mainz müsst Ihr Euch das Feld nicht mit
dahergelaufenen Bänkelsängern, Nachahmern und Gauklern teilen. Ich kann mich rühmen,
handverlesen nur die besten Dichter deutscher Zunge hier willkommen zu heißen.
Ihr seid unter Euresgleichen. Einige von Euch haben die Gastlichkeit und die
Geselligkeit des Thüringer Hofes bereits in der Vergangenheit kennengelernt –
Walther natürlich, aber auch Wolfram, der uns die Ehre erwies, einige Kapitel
seines Parzival in diesen Mauern niederzuschreiben –,
und es freut mich, dass ich nun auch Euch anderen unter Beweis stellen kann,
dass es in ganz Deutschland keinen Mann gibt, der die Dichter und ihre Dichtung
höher schätzt als ich. Seid willkommen, Sangesfürsten, und bleibt, so lange Ihr
wollt, Tage, Wochen, meinethalben bis der Frühling anbricht – zumindest aber
bleibt bis zum Beginn des neuen Jahres. In dieser dunklen und kalten Zeit
brennen sämtliche Kerzen und sämtliche Feuer meiner Pfalz für Euch. Währenddessen
verlange ich nichts weiter für mich, meine Ritter und mein Gesinde, als dass
Ihr uns teilhaben lasst an Eurer Kunst. Betrachtet die Wartburg als einen Bau
von Ameisen, die das Jahr über die Speisekammern gefüllt haben, um in den
langen Winternächten der Grille aufzuwarten und ihrem Gesang zu lauschen.«
    »Und um uns armen Grillen damit das Leben zu retten, die wir so
sorglos den Sommer über sangen, anstatt uns für den kalten Winter zu rüsten«,
fügte Walther hinzu. »Das elende Gauklerleben! Ich will nie wieder durch Eis
und Schnee reisen. Ich spüre noch jetzt den Winterfrost in meinen Zehen.«
    Hermann ließ umgehend, wie um seine Gastfreundschaft abermals zu
beweisen, aus dem Badehaus einen Eimer dampfenden Wassers bringen, und Walther
wurde genötigt, Schuhe und Strümpfe auszuziehen und vor den Augen der anderen
seine Füße zu baden.
    »Nutzt Euren Aufenthalt also zum Singen«, fuhr der Landgraf fort,
»nutzt ihn dazu, Euch untereinander auszutauschen, macht Gebrauch von meiner
Bibliothek, dichtet Neues, vielleicht auch gemeinsam, und wenn Ihr mich
vollends glücklich sehen wollt, leiht mir Euer Ohr für Anregungen. Ich habe
einige Stoffe und Ideen für neue Epen, die nur fruchtbaren Boden benötigen, um
zu gedeihen.«
    »Auch meine Damen bitten um baldigen Besuch«, sagte die Landgräfin.
»Wir sitzen den ganzen Tag im Frauenzimmer und spinnen Wolle, was zwar unsere
Hände, nicht aber unseren Geist beschäftigt. Insbesondere hat man um ein
Gastspiel von Euch gebeten, Herr Walther. Die Damen kennen und verehren Eure
Minnelieder, aber es ist etwas anderes, sie aus dem Mund ihres Schöpfers zu
hören. Und zu erfahren, welche Frauen und welche Romanzen sich hinter den
Zeilen verbergen.« Als sie
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