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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger
Autoren: Robert Löhr
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und der Stopfen wieder auf die
verdammte Flasche kommt, aus der das Weib und ihre untote Horde entweichen.
Alle sollen sich wieder verhalten wie gewöhnlich. Ich hasse den Geruch von
Wacholder, und ich habe es satt, nachts über Mustöpfe und süßes Gebäck zu
stolpern, die man auf die Schwellen gelegt hat, um die Schattengestalten milde
zu stimmen. Gott segne den Landgrafen, dass er euch Sänger eingeladen hat, um
uns von diesem Geisterglauben abzulenken!«
    Sie hatten nun die Hauptburg erreicht, die beherrscht wurde vom
Bergfried zur Linken und dem Palas, dem mächtigen Saalbau des Landgrafen. Die
Front dieses prachtvollen Schreins war durchsetzt von Arkadenreihen auf jedem
der drei Stockwerke, die dem Bau selbst hier, auf dem Gipfel eines deutschen
Gebirges im Winter, ein italienisches Ansehen gaben. An der Burgmauer zur
rechten Hand lag direkt neben der Kapelle der Stall.
    »Komm«, sagte Dietrich, als er Biterolf dorthin führte, »wenn wir
uns beeilen, treffen wir Wolfram und Walther noch bei den Pferden an. Ich
möchte derjenige sein, der euch einander vorstellt.«
    »Wolfram und …«
    »Ist es nicht unglaublich?«, rief Dietrich aus. »Was für ein Aufzug!
Sie sind gemeinsam angereist samt ihren Burschen, keine halbe Stunde vor dir.
Hast du auf dem Weg nicht die Spuren ihrer Pferde gesehen?«
    Pferde und Gefolge der beiden Meister waren noch da, aber sie
selbst hatten den Stall bereits wieder verlassen. Walthers Singerknabe war
damit beschäftigt, Harfe und Habe des Sängers in die Vogtei zu bringen.
Wolframs Knabe und Wolframs Schildknappe schirrten das Pferd ihres Meisters
aus. Es war beinahe am ganzen Körper und am Kopf mit Leder und Ketten
gepanzert. Und während Walther mit leichtem Gepäck gereist war, hatte Wolfram
ein zusätzliches Packpferd für seine Rüstung und dermaßen viele Waffen dabei,
als gälte es, in den Krieg zu ziehen. Wie um die Freundschaft der beiden Sänger
zu unterstreichen, hatten ihre Rösser, wiewohl unterschiedlich kräftig, beide
das gleiche braune, glänzende Fell. Während sich Biterolf, von Dietrich
unterstützt, um seinen eigenen Gaul kümmerte, warf er den anderen immer wieder
Seitenblicke zu.
    Eine kleine Gruppe Thüringer kam zu ihnen in den Stall, um die
Pferde der Neuankömmlinge zu begutachten. Wolframs Leute traten pflichtschuldig
zur Seite. Ein fröhlicher Ritter mit krausem schwarzen Bart gab den Sachkenner,
indem er laut und gestenreich die Vorzüge von Wolframs Hengst pries; ein
vorbildliches Kriegsross, wie man selten eines gesehen habe. Das Pferd scherte
sich nicht um die lobenden Worte, wurde vielmehr unruhig durch die Nähe des
Fremden, durch sein Getöse und die Gesten, und ehe Wolframs Gefolge ein
warnendes Wort einflechten konnte, hatte es eine besonders ausladende Gebärde des
Ritters genutzt, nach seiner rechten Hand zu schnappen. Es bekam den
Mittelfinger zwischen den Kiefern zu fassen. Der Ritter begann nach einem
kurzen Aufschrei sofort damit, dem Pferd mit der freien Faust Schläge zwischen
die Augen zu verpassen, was aber dazu führte, dass dieses noch fester zubiss.
Wolframs Knappe sprang vor, das Tier zu beruhigen, während die Kameraden des
Thüringers gleichzeitig auf es eindroschen mit den Waffen, die hier im Stall
zur Hand waren: eine Heugabel, ein Hocker und eine Schwertscheide. Eine der
beiden Methoden oder der generelle Lärm führte endlich zum Erfolg, und das
Pferd gab die Hand des bärtigen Ritters wieder frei.
    Den Finger allerdings hatte es in der kurzen Zeit komplett
zermahlen. In der Mitte des unteren Gliedes klaffte eine Wunde bis auf den
zerbrochenen Knochen, die obere Hälfte stand in einem grotesken Winkel ab, Blut
war bald auf der ganzen Hand und tropfte ins Stroh. Als er die Verletzung mit
seinen eigenen, tränengefüllten Augen sah, wollte der Ritter erneut auf das
Pferd losgehen. Die Umstehenden hielten ihn zurück und steuerten ihn aus dem
Stall. Dietrich und Biterolf folgten der Gruppe nach draußen.
    Schnell war der Wundarzt zur Stelle, ein ledernes Mäppchen unter dem
Arm. Aber eine eingehende Untersuchung tat nicht not, so offensichtlich und
irreparabel war der Schaden. Und dennoch brachte der Mann keinen Ton hervor.
Der Ritter packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich.
    »Mach’s Maul auf.«
    »Ich fürchte, edler Herr Atze, Ihr werdet Euch von Eurem Finger
trennen müssen.«
    »Dann schnell, eh ich unser beider Hemden noch weiter vollblute.«
    Ein Bursche wurde zur Schmiede geschickt, während der Ritter und
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