Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
Autoren: Willy Seidel
Vom Netzwerk:
Willy Seidel
Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
    Meinem lieben
Carl Georg von Maassen
widme ich dies
»unzeitgemäße« Buch
----
Inhaltsübersicht:
Zeitgemäßes Zwiegespräch
    Der kleine Tabakladen
    Erstes Bild: Das dunkle Abenteuer des Herrn Perlafinger
    Zweites Bild: Die »Lebende Blume«
    Drittes Bild: Der Apfelsinentrick
    Viertes Bild: Die Rückkehr der Violante
    Fünftes Bild: Die Krawatte
    Sechstes Bild: Psyche und Tod
    Siebentes Bild: Vom orangefarbenen Herzogtum
    Achtes Bild: Das älteste Ding der Welt
    Neuntes Bild: Masken des Frühlings
    Zehntes Bild: Larven oder Die Beichte eines Sonderlings
    Elftes Bild: Juan in der Sonne
    Herrn Zinkeisens eigene verwunderliche Geschichte
----
    Zeitgemäßes Zwiegespräch
    mit einem gewissen Dichter-Kompositeur; einstigem
Königlich-Preußischen Kammergerichts-Rath
zu Berlin
           
Der du die Bürgersitten überrennst:
bist wieder da, Du schwärmendes Gespenst?
    Thronst immer noch, wie Väterchen zu Rom,
in Deinem Ohrenstuhl, Du toller Gnom?
    Genügte nicht – (hier steh' ich schier verwundert) –
zu Deinem Tod ein »skeptisches« Jahrhundert?
    Und konnten Kritiker nicht längst erdolchen
Dich flüchtigsten von allen Feuermolchen?
Antwort :
Verehrter! – Fragen Sie nicht gar so töricht.
Ich bin unsterblich wie der Wind im Röhricht.
    Ich bin das Pneuma; – bin die Phantasie.
Und diese, Bester, mordete man nie.
    Auch jene Altersweisheit schwerkalibrig
– in Weimar – ließ das Beste von mir übrig.
    In neuer Flamme – und die Zeit ist reif! –
zuckt unversengt mein Salamander-Schweif.
    » . . . Denn herunter muß es, Herr Doktor, von der Seele, was der Mensch erlebt hat; und wenn er steinalt wird, es gibt Dinge . . . Dinge gibt es, und Zufälligkeiten, kaum zu beschreiben .«
    (Ausspruch Herrn Zinkeisens.)
Der kleine Tabakladen
    Vor einigen Wochen wurde ich mitten in der Stadt von einem Platzregen überrascht. Eine Trambahnhaltestelle war nicht in der Nähe, und so entschloß ich mich, in einen Tabakladen einzutreten, einen kleinen Einkauf zu machen und zu warten, bis das Ärgste vorüber sei.
    Der Laden war von einer strahlenden Sauberkeit; die Ware bot sich symmetrisch und gefällig dar; und wiewohl das Geschäft nicht zu überlaufen schien, herrschte blankgeputzte Ruhe darin und denkbar beschaulicher Mangel jeglicher Überstürzung. Zu diesem Eindruck trug der Inhaber bei, der mir bei der Auswahl der Zigarren half. Sein Organ klang hanseatisch hell; seine Bemerkungen waren von freundlicher Sachlichkeit.
    Unter Mittelgröße, fast plump gebaut, hatte er durch seine ruhige Bestimmtheit etwas irgendwie Autoritatives, ja, in bescheidenem Sinn Respekteinflößendes. Seine blauen Augen blickten besinnlich; sie erhielten dadurch, daß das obere Lid ganz unter der Brauenfalte verschwand, bescheidene Schärfe . . . Gekleidet war er in einen schlohweißen, gestärkten Leinenmantel, unter dem zuweilen der hellgraue Stoff des Anzugs hervorsah. – Und ausgerechnet bei diesem patenten kleinen Ladeninhaber, diesem Besitzer einer vernickelten Registriermaschine, mußte es mir passieren, daß meine Barschaft restlos ausgegangen war, als es ans Zahlen ging. Sehr peinlich war mir das, das muß man mir glauben. Ich hatte ihn in Bewegung gesetzt, hatte ihn bemüht in seinem weißen Leinenmantel, hanseatisch propre Geschäftigkeit veranlaßt, und nun sollte das alles mit einem Fiasko enden! – Ich sagte »Donnerwetter«, oder Ähnliches, und durchsuchte meine Taschen. Er merkte das, wickelte das Paket aber ruhig ein, machte ein Daumenschleifchen an die Schnur und sprach: » Denn können der Herr ja das nächste Mal bezahlen.«
    »Scheußlich unangenehm . . . Ich lasse es hier . . .«
    »Nichts dergleichen«, entschied er mit seiner hellen Stimme. »Sie nehmen es ruhig mit, mein Herr. Nur, zur Formalität, Ihren geschätzten Namen; den können Sie mir ja wohl mitteilen; denn schick' ich Ihnen gelegentlich mal eine Offerte . . .« Er sagte es sehr nett; als er meinen Namen aufschrieb, wurde er jedoch nachdenklich.
    »Sind Sie vielleicht, mein Herr, identisch mit dem Schriftsteller dieses Namens?«
    Leicht geschmeichelt, daß solches in diesen kleinen Tabakladen gedrungen sei, bestätigte ich's. – Und nun wurde er ganz anders; er verfiel in jene Mischung von Hoch- und Niederdeutsch, die man »messingsch« nennt; er zählte mir einige meiner Aufsätze auf, die er gelesen habe; bei Gott, er kannte sie wirklich; fremde Namen glitten ihm glatt von der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher