Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzweg

Kreuzweg

Titel: Kreuzweg
Autoren: Diane Broeckhoven
Vom Netzwerk:
Matteo teilte. MeinRücken war schweißnass, das Herz schlug mir bis zum Hals.
    «Willst du denn das ganze Wochenende hier allein herumzusitzen?», erkundigte er sich.
    «Ach was», log ich. «Heute Mittag gehe ich kurz mit einer Freundin in die Stadt, wenn ich mich bis dahin besser fühle, und morgen werde ich bei meinem Vater und seiner Geisha Ostereier suchen.»
    «Weißt du, was ich heute Morgen beim Bäcker gehört habe?» Er stand schon wieder im Flur. «Dass sie ein Baby gefunden haben, auf dem Bahnhof. Einen Findling in einem Margarinekarton. Meine Mutter kam auch schon mit der Story nach Hause. Sie hatte es im Supermarkt aufgeschnappt. Wer tut so was bloß?»
    Ich spürte, wie jetzt auch die Jacke feucht wurde. «Ein lebendiges Baby?», fragte ich leise.
    «Das nehme ich doch an …», sagte Matteo. «Alle reden von einem Findling. Das klingt doch lebend, oder? Sonst würden sie ja von einer Babyleiche sprechen.»
    Mir schauderte. «Meinst du, es steht etwas darüber in der Zeitung?»
    «Glaube ich nicht», sagte er, «soweit ich weiß, haben sie das Kind erst gefunden, nachdem die Zeitung längst gedruckt war.»
    Um fünf vor eins verschwand er winkend aus meinem Blickfeld. Ich schaltete Omas kleines Transistorradio an und legte mich auf die Couch, gerade rechtzeitig für die Nachrichten.
    «Im Bahnhof von E. entdeckte der Bahnhofsvorsteher heute früh einen Karton, in dem sich ein Baby männlichen Geschlechts befand. Der Junge, der bei guter Gesundheit ist, war höchstens zwei Tage alt und in ein weißes Handtuch mit den blauen Initialen des St.-Josef-Krankenhauses von A. gewickelt. Aktuell werden alle Frauen verhört, die dort vor Kurzem entbunden haben. Jeder, der sachdienliche Hinweise erbringen kann, die zum Auffinden der Eltern führen können, wird gebeten …»
    Letztes Jahr hatte Oma ein paar Tage lang im St.-Josef-Krankenhaus gelegen, wegen eines Eingriffes an ihren Augen. Mein Vater hatte sie dort abgeholt und nach Hause gefahren. Sie muss damals anscheinend so ein kuscheliges Krankenhaushandtuch in ihre Tasche gesteckt haben.
    Um die Mittagszeit schreckte ich aus einem tiefen Schlaf hoch. Das Telefon. Die Geisha war dran. Ob ich morgen zum Essen käme? «Dein Vater und ich rechnen mit dir, es ist doch Ostern.»
    Für eine Stiefmutter klang sie äußerst freundlich.
    «In Ordnung. Ich wollte euch gerade selbst anrufen», antwortete ich. «Bin aber noch nicht dazu gekommen. Ich habe viel zu tun, außerdem glaube ich, hat mich eine Magen-Darm-Grippe erwischt.»
    «Die geht im Augenblick ziemlich um», meinte sie, «bei meiner Arbeit gab es auch ein paar Kranke.»
    Wir verabredeten uns für den Mittag.
    In den Abendnachrichten berichtete die Fernsehsprecherin, im Falle des Findlings habe noch keine Spur zum Täter führen können. Der kleine Junge sei in guter gesundheitlicher Verfassung und augenblicklich in der Kinderabteilung in einem Krankenhaus untergebracht. Man hatte ihm einen Namen gegeben: Jasper, nach dem Bahnhofsvorsteher Theo Jespers, der das Kind gefunden hatte. Einen Nachnamen würde es erst bekommen, wenn die Täter nicht gefunden würden.
    Es folgte ein Kurzinterview mit einem schnurrbärtigen Mann auf dem Bahnsteig. Er deutete auf die Bank, wo er um halb sechs, zu Beginn seiner Schicht, den Karton hatte stehen sehen. «Ich dachte gleich, da hat jemand was vergessen. Und da hörte ich ein Kind weinen.» Er lüftete kurz seine Kappe und wiederholte: «Und da hörte ich ein Kind weinen. Ein Baby. Das Geräusch kam aus dem Karton …»
    Dann wurden die ineinander verschlungenen Buchstaben S und J im Close-up gezeigt. Anschließend der Karton: zwölf Päckchen Margarine. Streichzart bis zum Schluss, las ich da.
    Ich schaltete das Gerät aus. Das hatte nichts mit mir zu tun.
    Frische Luft war, was ich jetzt brauchte. Ich ging nach draußen und streifte ein wenig in Omas verwildertem Garten umher. Auf dem Rasen kickte ich meine Slipper fort und spürte, wie das hochgewachsene Gras in meine Fußsohlen pikste. Die Kühle der Erde kroch in meinen fiebrigen Körper, es wirkte beruhigend. Die Frühlingsgerüchesetzten irgendetwas in mir frei. Also war ich doch nicht tot.
    Ich holte einmal tief Luft und breitete meine Arme zu Flügeln aus. Aus meinem tiefsten Inneren stieg ein Urschrei empor: Jasper! Wie eine Kugel schoss sein Name aus mir heraus, rotierte durch die Luft, um sich dann im Getöse eines vorbeirasenden Zuges zu verlieren.
    In der Nähe des Komposthaufens wucherten große
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher