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Sieben Phantastische Geschichten

Sieben Phantastische Geschichten

Titel: Sieben Phantastische Geschichten
Autoren: J. G. Ballard
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James Graham Ballard

    Sieben Phantastische Geschichten

    Der Autor

    James Graham Ballard (* 18. November 1930 in Shanghai) ist ein britischer Schriftsteller. Sein Werk ist durch eine bemerkenswerte Breite in der Auswahl der Genres (Science-Fiction, Historischer Roman, Moderne) gekennzeichnet. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Ballard in einem japanischen Zivilgefangenenlager interniert. 1946 kehrte seine Familie mit ihm nach England zurück. Ballard begann dort ein Medizinstudium, welches er jedoch nie abschloß. Seine erste Erzählung veröffentlichte er 1956. Viele seiner Novellen entwerfen Anti-Utopien und Weltuntergangsszenarien. Die Ursachen sind dabei meist unwichtig und werden oft gar nicht näher benannt. Ballard konzentriert sich stattdessen auf den Kollaps bzw. die Degeneration der Gesellschaft angesichts des Untergangs. Ein stets wiederkehrendes Motiv ist der Konflikt zwischen den Möglichkeiten einer radikalen Individualität und der Restloyalität gegenüber den verbleibenden gesellschaftlichen Normen.
    Seine Novelle Crash wurde 1996 vom kanadischen Regisseur David Cronenberg verfilmt, ebenso Empire of the Sun im Jahre 1987 unter der Regie von Steven Spielberg.

    Das Lächeln

    The Smile

    aus: J. G. Ballard: Mythen der nahen Zukunft, Suhrkamp, 1985
Übersetzung: Franz Rottensteiner

    Da die Alptraumlogik nunmehr ihren Lauf genommen hat, fällt es schwer zu glauben, daß meine Freunde es für die unschuldigste Laune hielten, als ich Serena Cockayne zu mir in mein Haus in Chelsea holte. Zweierlei hat mich stets fasziniert: das Weibliche und das Bizarre; Serena vereinte beides in sich, und zwar keineswegs in einem rohen oder perversen Sinn. Während der ausgedehnten Dinnerpartys, die uns über unseren ersten gemeinsamen Sommer hinweghalfen, war ihre Anwesenheit neben mir, schön, schweigend und auf ihre seltsame Weise ewig beruhigend, voll der vielfältigsten komplexen und bezaubernd ironischen Momente.
    Jeder, der Serena kennenlernte, war von ihr entzückt. Sie saß zurückhaltend in ihrem vergoldeten Sessel neben der Wohnzimmertür, die blauen Falten ihres Brokatkleides umhüllten sie wie ein sanftes und ihr ergebenes Meer. Beim Abendessen, wenn meine Gäste Platz genommen hatten, beobachteten sie mit amüsierter und nachsichtiger Zuneigung, wie ich Serena an ihren Platz am anderen Ende des Tisches trug. Ihr andeutungsweises Lächeln, die überaus zarte Blüte dieser unvergleichlichen Haut, führten mit gleichbleibender Ruhe den Vorsitz über unsere sorgfältig arrangierten Abende. Wenn der letzte meiner Gäste gegangen war, nachdem alle Serena ihren Respekt erwiesen hatten, während sie sie vom Flur aus beobachtete, den Kopf in der für sie charakteristischen Haltung zur Seite geneigt, trug ich sie glückselig in mein Schlafzimmer.

Natürlich hat sich Serena nie an unseren Gesprächen be
    teiligt, und zweifellos machte das auch das Wesentliche ihrer Anziehung aus. Meine Freunde und ich gehörten jener Generation von Männern an, die frühzeitig in ihren mittleren Jahren, zumeist durch sexuelle Notwendigkeit, zu einem müden Sich-Abfinden mit dem militanten Feminismus gezwungen worden waren. Serenas passive Schönheit, ihre makellose, wenn auch altmodische Aufmachung, und vor allem ihr ungebrochenes Schweigen kündeten von einer tiefen und erfreulichen Ehrerbietung für unsere verletzte Männlichkeit. Serena war in jeder Hinsicht die Art Frau, von der die Männer träumen. Das war jedoch, bevor ich die wahre Natur von Serenas Charakter erkannte und die zwiespältige Rolle, die sie in meinem Leben spielen sollte, von der ich jetzt mit solch großer Sehnsucht hoffe, erlöst zu werden.
    Passenderweise – doch entging mir die Ironie damals völlig – traf ich Serena Cockayne zuerst im World’s End. In jenem Gebiet am unteren Ende der King’s Road, das jetzt von einer Gruppe von Wohnhochhäusern eingenommen wird, das aber vor bloß drei Jahren noch immer eine Enklave zweitklassiger Antiquitätengeschäfte, schmuddeliger Boutiquen und Terrassenhäuser aus dem neunzehnten Jahrhundert war, die nach Stadterneuerung schrien. Auf dem Weg vom Büro nach Hause blieb ich bei einem kleinen Kuriositätenladen stehen, der wegen Geschäftsauflösung den totalen Ausverkauf ankündigte, und spähte durch die schmutzigen Fenster auf die wenigen übriggebliebenen Stücke, die noch ausgestellt waren. Beinahe alles war schon verschwunden, mit Ausnahme eines Haufens zerfranster viktorianischer Regenschirme, die in
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