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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Autoren: Tatjana Kruse
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ab.«
    Frech gelogen oder der Wahrheit entsprechend? Seifferheld wusste es nicht, er hatte noch nie einer Frau erzählt, dass er stickte. Womöglich warfen sich Frauen vor Lachen auf den Boden und strampelten grölend mit den Beinen.
    »Sticken sensibilisiert die Feinmotorik. Und erhöht die Konzentrationsfähigkeit.« Seifferheld nickte gewichtig.
    Er sprach gegen eine Mauer des Schweigens an. Würde er sie durchbrechen können?
    »Ihr wollt doch nicht auf ausgelatschten Pfaden mit der Herde trampeln, oder? Ihr wollt in unbekanntem Terrain mit der Machete einen Weg frei schlagen. Etwas tun, was noch kein Mann vor euch getan hat. Tollkühn. Mutig. Ihr wollt sticken! Und zwar ohne Fingerhut. Denn genau das tun echte Kerle!«
    Es war eine programmatische Rede und Seifferheld versprühte all sein Charisma.
    Onis hatte er überzeugt. Der Hund sprang auf, wedelte freudig mit der Knickrute und bellte »Wuff!«.
    Bocuse kraulte sich nachdenklich das Kinn. »Isch weiß nischt …«
    Auch Arndt der Klempner blickte skeptisch.
    Buchhändler Gotthelf erklärte: »Wenn ich dadurch einem Mitmenschen helfen kann, bin ich gern dabei. Nächstenliebe steht höher im Kurs als Handarbeits phobie.«
    Klaus nickte. »Alle für einen, einer für alle!«, rief er.
    Mathematiklehrer Horst machte den Mund auf.
    »Natürlich braucht man jemand, der mit Zahlen umgehen kann«, unterbrach ihn Seifferheld, noch bevor Horst etwas sagen konnte. »Die Muster wollen exakt ausgerechnet werden. Es gibt drei Kissengrößen – da darf einem kein Fehler unterlaufen.«
    Horst schloss den Mund und schürzte die Lippen.
    »Außerdem muss jemand die Recherche machen. Es gibt bestimmt Stick-Ratgeber für Anfänger, die wertvolle Tipps und Tricks beinhalten.« Seifferheld sah Buchhändler Gotthelf nicht an, das wäre zu plump gewesen, aber er sprach in seine Richtung.
    »Und dir, Guido, muss ich nicht erst sagen, wie wichtig das richtige Kissen für die Wirbelsäulengesundheit ist«, sagte Seifferheld zu Guido Schmälzle, der sich als Wanderführerautor auch dazu berufen fühlte, zu jedwedem Gesundheitsthema sein Scherflein beizusteuern. Gemäß dem Motto: Nur ein gesunder Mensch schreitet fröhlich aus.
    Schmälzle nickte zustimmend und öffnete den Mund, um noch eins draufzusetzen, aber Seifferheld fuhr zügig fort.
    »Kurzum, ich wäre euch dankbar, wenn ihr mir helft. Aber es wäre nicht nur ein selbstloses Aufopfern. Es gibt Geld dafür. Und ich bin sicher, ihr werdet dem Sticken etwas abgewinnen!«
    »Wuff«, meinte Onis erneut und klang definitiv überzeugt.
    Der VHS-Männerkochkurs schwieg.
    »Natürlich muss uns jemand anleiten. Muss als geborene Führungspersönlichkeit gewissermaßen die Peitsche schwingen, damit wir bei der Sache bleiben. Der Termin ist unverrückbar. Die Kissen müssen fertig werden.« Seifferheld sah Bocuse an. »Ich würde vorschlagen, dass Bocuse unser Obersticker wird. Er hat bereits Erfahrung als Gruppenchef.«
    Bocuse guckte skeptisch, fühlte sich aber eindeutig geschmeichelt.
    Die anderen schienen immer noch nicht überzeugt.
    Seifferheld setzte alles auf eine Karte. »Hört zu, Freunde, ich habe mein Wort gegeben, aber so, wie es im Moment aussieht, werde ich es nicht halten können. Einhundert Japaner rechnen fest damit. Sollen sie wirklich enttäuscht werden? Freunde, ich brauche eure Hilfe.«
    Er hielt die Luft an.
    »Meinst du, wir sind überhaupt in der Lage, kompetent zu sticken? Braucht man dafür nicht ein gewisses Talent? Hast du das auch wirklich gut durchdacht oder ist das eine unausgegorene Idee, an der man erst noch feilen sollte?« Zum ersten Mal kam Schmälzle zu Wort. Natürlich sprudelte etwas Nöliges aus ihm heraus. Typisch. Wenn Guido Schmälzle etwas sagte, war es grundsätzlich redundant oder Unsinn oder beides.
    »Jeder kann sticken«, behauptete Seifferheld kühn, sah dabei aber nicht Klaus an. Ausnahmen bestätigten nur die Regel.
    »Das bleibt dann aber unter uns, ja?«, sagte Arndt. »Meine Kumpel halten mich ohnehin schon für ein Weichei, weil ich zum Kochen gehe. Wenn die hören, dass ich jetzt auch noch sticke …«
    »Kein Wort zu niemandem!«, versprach Seifferheld.
    Es klopfte an die Tür.
    Arndt und Horst sprangen kreidebleich auf. Seifferheld warf den Stickrahmen, den er zu Erklärungszwecken hervorgeholt hatte, in seine Truhe. Bocuse riss einen Wälzer aus seiner Umhängetasche, schlug wahllos eine Seite auf und begann zu lesen.
    »Beim Kochen muss man Musik hören und Liebe machen.
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