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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod
Autoren: Peter Oberdorfer
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falsch. Ihr Hass gegen alles, was Franz betraf, kam aus einer anderen Quelle, von der ich nichts wusste. Sie beeinflusste mich auf rätselhafte Weise, ohne je ein Wort zu sagen, wir hingen irgendwie zusammen. Es war, als ob ich ihren unsichtbaren und unausgesprochenen Hass gegen Franz zu meinem eigenen machte, ihn mit meinem schon bestehenden Hass gegen Franz vereinigte. Ich bin kein selbstständiger Mensch, ich bin es nie gewesen, langsam durchdrangen mich die Gefühle der Mühlbacherin und wurden meine eigenen. Was sich daraus entwickelte, war eine Art von körperlichem Abscheu gegen Franz. Ich konnte ihn einfach nicht mehr ausstehen, nicht mehr ansehen, nicht mehr im Augenwinkel haben, ja, zu wissen, dass er in der Nähe war, tat regelrecht weh. Ich schlief nachts nicht mehr ein, weil ich
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    seine Anwesenheit nicht mehr ertrug. Ich spürte ihn, roch ihn, ahnte ihn im Dunkeln, hörte seinen blöden Atem und irgendwann konnte ich nicht mehr anders: Mitten in der Nacht packte ich mein Bett und legte mich in die Küche auf den Diwan. Was folgte, war schrecklich. Ich schlief in der neuen Umgebung zunächst wunderbar ein und träumte von einem großen Hund mit mächtiger Schnauze, der um mich herumtrottete, näher kam und mich eigentümlich beschnüffelte. Er schien gutmütig, alles, was er wollte, war schnüffeln. Immer aufdringlicher wurde er mit seiner feuchten, klebrigen Schnauze, bis er sie mir regelrecht zwischen die Beine zu schieben begann. Und ich ließ es mir kurz gefallen, aber dann drängte ich ihn weg. Der Hund verschwand, löste sich in Luft auf, aber das Gefühl, dass sich seine nasse, klebrige Schnauze zwischen meinen Beinen zu schaffen machte, blieb, es blieb und blieb und ich war schon wach und dieses Gefühl war immer noch da, und da merkte ich, dass Franz auf mir war und sich in mich hineinbohrte. Ich schrie und versuchte ihn von mir he- runterzuzerren, mich wegzudrehen, ich krallte meine Fingernägel in seine Arme, bis ich die Knochen drunter spüren konnte, aber es half nichts. Ich spürte ein dunkles Dröhnen, es klang wie die Luftangriffe auf unser Dorf im Krieg, das Einschlagen der Bomben, im ersten Moment wusste ich gar nicht, was es war. Es beruhigte mich. Er schlug auf mich ein und zwar so lange, bis ich reglos dalag und von meinem Körper nur mehr eine unklare Ahnung hatte. Dann beendete er mit einer schlangenhaften Hast und Biegsamkeit sein Geschäft. Ein Stöhnen brach aus ihm heraus, als er kam, so laut, wie ich es noch nie von ihm gehört hatte. Ich schlief ein,noch bevor die Schmerzen mein Bewusstsein erreichten. Als ich aufwachte, war es schon lange Tag. Mein Körper tat weh, und ich blieb liegen, bis es Mittag war. An diesem Tag ging ich nicht aus dem Haus. Ich betrachtete lange, lange mein Gesicht im Spiegel, es wies die Spuren des nächtlichen Angriffs auf. Den ganzen Tag verbrachte ich damit, zu fassen, was geschehen war. Es war nach dem Vorfall damals, als Franz die Fernbedienung nicht finden konnte, das zweite Mal, dass er seine körperliche Überlegenheit in unser Verhältnis hineingetragen hatte. Damals allerdings war ihm die Hand, wie man sagt, ausgerutscht, diesmal schien seiner Handlung ein sorgsamer Entschluss vorangegangen zu sein. Er hatte mich lange Zeit ignoriert, mir große Freiheit eingeräumt, aber mir letztlich doch gezeigt, wer der Herr im Haus war. Erstaunlicherweise hatte er große Lust dabei empfunden, er, dem Lust immer etwas Fremdes gewesen war. Das verstand ich nicht. Am nächsten Tag kam morgens wieder die Mühlbacherin bei mir vorbei, und als sie mein Gesicht erblickte, schaute sie mich lange und starr an, dann nickte sie mit dem Kopf, sagte aber nichts. Ich erklärte ihr, ohne dass ich dabei weinen musste, was geschehen war, alles. Sie nickte nur und schaute auf den Weg, der sich langsam unter unseren Füßen dahinbewegte, als wir in den Wald hineingingen. Mit dem Wald übrigens hat es etwas auf sich, er lockert einem die Zunge, man redet im Wald unbeschwert über die Dinge, über die man draußen kaum einmal nachdenkt. Und an diesem Tag kam eine lange, lange Geschichte aus der Mühlbacherin heraus. Etwas, das sich lange schon unter ihrem Schweigen abgezeichnet hatte, aber mit dem sie mich offenbar nichthatte belasten wollen. Jetzt redete sie und redete und ich weiß nicht, ob du davon weißt. Die Geschichte handelt von ihrem Kind.«
    »Ich kenne die Geschichte«, sagte ich.
    »Du musst sie kennen. Als Polizist weißt du wahrscheinlich über vieles
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