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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod
Autoren: Peter Oberdorfer
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liegt da,erschlagene So war's, dann bin ich hinunter und hab den Franz tot im Gras liegen sehen. Ja, so war's.«
    »Ja, und warum haben Sie uns das verschwiegen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab den Mannlechner gefragt, warum er denn die Polizei nicht ruft. Er hätte keine Zeit, wegen der Zeichnung, hat er gesagt. Ob ich das nicht für ihn erledigen könnt. Er wollte die Zeichnung noch fertig machen. Das war ja eigentlich furchtbar, wie der da seelenruhig bei der Leiche gesessen ist und gezeichnet hat, als wenn ihn das alles nichts angehen würde. Und ich hab gesagt, ja, ich geh hinunter, an dem Tag wollte ich sowieso nicht mehr weiter in den Wald hinein. Und wie ich gehen will, hat er mich gefragt, ob ich nicht sagen könnte, dass ich die Leiche gefunden habe. Warum, hab ich gefragt.«
    Sie machte eine Pause und schluckte. Wir schwiegen. Der Alte war jetzt durch den Türbogen und bemühte sich, mit zitternder Hand die Tür hinter sich zu schließen. Die Mühlbacherin wirkte erleichtert darüber, dass ihr Vater nicht mehr zuhörte, und fuhr sehr leise fort.
    »Er hat gesagt, dass er mit der Zeichnung noch nicht so schnell fertig ist, und wenn die Polizei kommt und er als derjenige dasteht, der die Leiche gefunden hat, dann muss er die ganzen Fragen beantworten und kann seine Arbeit nicht in einem Guss abschließen. Er wär froh, hat er gesagt, wenn ich das alles übernehmen könnt. Aber wenn ich gewusst hätt, was da für Scherereien auf mich zukommen, hätt ich gleich nein gesagt.«
    »Aber Sie haben ja gesagt.«
    »Ich habe ja gesagt. Warum, weiss ich nicht.«
    »Das war nicht klug von Ihnen. Zu lügen.«
    »Wem sagen Sie das.«
    Wenn bei einem Luftballon die Luft austritt, dann saust er eine Zeit lang durch die Gegend, solange eben Luft austritt, und irgendwann, wenn alle Luft draußen ist, bleibt er klein und unscheinbar irgendwo liegen und rührt sich nicht mehr. Genauso verhielt es sich mit der Mühlbacherin, nachdem die Sache mit dem Mannlechner und dem Leichenfund heraußen war. Unsere Blicke verständigten sich über der in Apathie verfallenen Mühlbacherin darauf, dass an diesem Ort nichts mehr für unsere Zwecke auszurichten sei. Ich bedankte mich bei der Mühlbacherin und wir verließen das Haus. Ich kam als Erster zum Auto und setzte mich ans Steuer. Der Engel nahm widerspruchslos auf dem Beifahrersitz Platz, wo er seit je gesessen hatte. Ich setzte mich gern in ein Auto, um es dann gerade nicht zu starten, sondern um darin erst einmal nachzudenken. Ich sah ein, dass meine analytische Fragetechnik für sich allein wirkungslos gewesen war, aber, in einer Zangenbewegung mit der Engel'schen Gewalt gemeinsam angewandt, brauchbare Ergebnisse erzielt hatte. Dieser überraschende Erfolg unserer Zusammenarbeit verbreitete im Wagen eine angenehme Stimmung, wie sie zwischen mir und dem Engel schon lange nicht mehr geherrscht hatte. Es schien, als sei es gelungen, unser harmonisches Verhältnis aus der langen Phase des Nichtstuns in die Turbulenzen der Mordermittlungen zu übersetzen.
    »Meister«, sagte der Engel zum ersten Mal seit langem wieder und dieses Wort schmeichelte sich warm in meine Seele, »Sie haben die Mühlbacherin hervorragend befragt. Ein preußischer General hätte es nicht mit größerer Übersicht zustande gebracht.«
    »Und dein Eingriff, Engel, war zwar an der Grenzedes Vertretbaren, aber der Erfolg, würde ich sagen, gibt dir recht. Hart zuzuschlagen scheint manchmal das einzig Richtige zu sein.«
    »Das Erstaunliche war eigentlich das Zusammenwirken Ihrer Logik und meiner Gewalt. Das griff ineinander wie die Zacken zweier Zahnräder. Und es ist nur zu verständlich, dass die beiden einander bedingen«, analysierte der Engel. »Der Schärfe der Logik kann im Bereich des Faktischen nur die Härte einer Gewalttat gerecht werden.«
    Dieser Satz stand nun eine Zeit lang im Raum, als wären die Buchstaben in die Luft gepinselt worden.
    »Schon möglich. Wie auch immer. Was zählt, ist, dass wir uns einen weiteren Schritt vorgearbeitet haben. Gemeinsam. Der nächste Schritt ergibt sich von selbst, und das ist ein gutes Zeichen. Ich glaube, wir haben den Rhythmus gefunden.«
    Der Engel lächelte. Ich startete den Wagen, und in diesem Moment, gerade als ich den Gang einlegen wollte, zerplatzte mit lautem Knall die Heckscheibe. Wie ein Haufen Juwelen lagen die kleinen Glasstückchen auf der Rückbank. Es war, als sei jetzt endgültig das Abenteuer losgebrochen. Auf der Veranda stand nackt der
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