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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod
Autoren: Peter Oberdorfer
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alte Mühlbacher, er hatte ein riesiges Schießgewehr auf die Brüstung gelegt und für sein hohes Alter gut gezielt. Ich musste lachen.
    »Den kaufen wir uns später«, sagte der Engel, »fahren wir.«
    Ich brauste hinauf zur Straße, dass hinter mir der Staub aufwirbelte.
    VII.
    Das Mannlechner'sehe Haus befand sich in einem anderen Ortsteil. Der Kreuziger sowie die Mühlbacherin wohnten am östlichen Rand des zentralen Ortsteils. Zu Mannlechner gelangte man, indem man einfach weiterfuhr, aus dem Ort hinaus. Da wurde es erst einmal wieder dunkel. Die Straße führte durch ein Waldstück, und ein unkundiger Reisender mochte meinen, das Dorf nun hinter sich zu haben, aber dann weitete sich nach einigen Kilometern noch einmal das Blickfeld. Felder taten sich auf und inselhaft eingebettet in die gewaltigen Nadelwälder lag ein friedlicher Weiler, der älter war als der Ortskern selbst. Viele Sagen gab es darüber, wie vor langer Zeit, gegen Ende des Römischen Reiches, Riesen darum stritten, wer hier das Wohnrecht habe. Häuser standen noch, mit meterdicken Mauern und handtellergroßen Fensterlöchern, die schon zu Zeiten der Ritter bestanden hatten. Während das eigentliche Dorf - also dort, wo ich wohnte und wo auch der Kreuziger gewohnt hatte und wo alles geschehen war - groß genug war, um dem Fortschritt eine wenn auch kleine Angriffsfläche zu bieten, wies dieser abgelegene und seit je gleich aussehende Weiler jene kritische Kleinheit auf, die ihn davor bewahrte, verändert zu werden. Immer noch wohnten fast nur Bauern dort. Die Häuser lagen weit auseinander und die Leute redeten sich nicht mit
    Vor- oder Nachnamen an, sondern mit dem Hausnamen; man bezog sich auf das Gegenüber nicht als einen bestimmten, so oder so beschaffenen Menschen, sondern stets auf jemanden, der als ein unwichtiges Glied in der Kette der Generationen gerade einen bestimmten Hof bewohnte. Im Notfall hielt man verzweifelt zusammen, sonst ging man sich aus dem Weg. Wenn man jemanden in seinem Haus aufsuchte, wurde man wohl freundlich empfangen, blieb aber nicht länger sitzen, als man für die Erledigung seiner Sache brauchte. Man wurde in diesen Häusern das Gefühl nie los, in etwas Fremdes einzudringen und dort als ein Fremdkörper zu stören. Mannlechner war hier ein Name, der sich bis ins fünfzehnte Jahrhundert zurückverfolgen ließ. Jörg Mannlechner aber war der Erste, der es sich hatte einfallen lassen, den Beruf des Bauern mit dem des Künstlers zu vertauschen. Übrigens hätte man vermuten können, dass Mannlechner es schwer gehabt hätte, in dieser Umgebung, wo man Anders- oder Neuartiges oft nur ertrug, indem man es bekämpfte, sein Künstlerleben unbehelligt zu führen. Und Mannlechner war auch für einige Jahre verschwunden, um weit weg in der Stadt zu studieren und erste Hungerjahre zu fristen, ehe er zunächst für kurze Aufenthalte zurückkam. Natürlich schaute man ihn sich am Anfang aus der Ferne an und grüßte ihn ein wenig überhöflich, als wäre er ein Fremder auf Besuch. Aber schon bald zeigte sich: Mannlechner war vom alten Schlag, er hatte als Maler einen Namen und schien sich darauf - was wichtig war - nichts einzubilden. So ließ man ihn unbehelligt, auch wenn er oft nur in der Gegend herumstrich und in die Luft schaute. Einen, der so war, trug es, viele nicht, dachten die Leute.
    Die vor meinen Augen vorbeifliegende Landschaft kam zum Stillstand, der Wagen hielt. Wir waren am Mannlechner'schen Hof. Direkt an der Straße lag ein kleiner Parkplatz, der mit Kies bestreut war. Er war für Besucher gedacht, und vom Parkplatz führte ein schmales Weglein schnurgerade hinauf zum Haus, das hoch oben im steilen Hang lag und einen herrlichen Ausblick über das Tal und die mäandernden Gebirgszüge einräumen musste.
    »Engel«, sagte ich, »dieses Mal möcht ich es allein probieren. Wir haben beim Verhör der Mühlbacherin erfolgreich zusammengearbeitet, aber beim Mannlechner habe ich das Gefühl, dass es besser wäre, wenn ich allein gehe.«
    Der Engel wandte den Kopf zu mir und schaute mich aus sehr schmalen Augen an.
    »Weißt du warum?«
    Er verzog keine Miene.
    »Ich glaube, der Mannlechner ist ein ziemlich ausgefuchster Hund.«
    »Ausgefuchster Hund«, wiederholte der Engel nachdenklich, als begreife er nicht, was mit dem Ausdruck gemeint sei.
    »Es handelt sich bei ihm um einen, na ja, Künstler. Die Gefahr, dass er meine Fragen einfach nicht beantwortet und auf stur schaltet, ist sehr groß. Man muss es
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