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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman
Autoren: Susan Fraser
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meinst, dann muss ich nicht mehr zur Schule gehen?«
    »Nein ...« Grandma schüttelte den Kopf. »Du musst dir etwas Gutes wünschen, etwas Positives.«
    Aber als Kind verstand ich nicht richtig, was sie damit meinte. Nicht in die Schule zu müssen erschien mir als etwas überaus Gutes und äußerst Positives. Folglich musste es also irgendeinen Weg da heraus geben. »Aber was passiert, wenn ich mir ganz, ganz, ganz doll wünsche, dass ich nicht in die Schule muss?«
    »Hmm. Lass mal überlegen!« Sie schwieg, als müsse sie tatsächlich sehr ernsthaft über meine Frage nachdenken. »Wenn du dir das ganz, ganz, ganz doll wünschst, hast du gesagt?«
    »Ja.« Ich saß neben ihr auf dem Sofa, nickte aufgeregt und schlenkerte mit den Beinen. Auf Grandma konnte ich stets zählen, sie fand immer eine Lösung.
    Sie klappte das Buch auf ihrem Schoß zu, und ich schaute sie erwartungsvoll an. Sie hatte ein schönes Gesicht. Ihre Haut erschien mir wie ein zarter, durchsichtiger Stoff, und die Äderchen darunter wirkten wie Pinselstriche, wenn man die Pinselspitze in Blau getaucht hatte. Leichte Pinselstriche auf einem schönen weißen Tuch.
    »Also ...« Sie blickte mich mit ihren blauen Augen über die Brille hinweg an. »Ich glaube, sogar das könnte klappen, wenn du es dir nur stark genug wünschst.«
    Da lächelte ich selbstzufrieden wie die Grinsekatze aus Alice im Wunderland. Aber Grandma hob die Hand. »Sei vorsichtig, Annie MacIntyre!«, warnte sie, während ich schon aufgesprungen war und anfing, wie ein Hulamädchen im Wohnzimmer herumzutanzen. »Du musst deine Wünsche immer klug wählen. Sonst stellst du möglicherweise eines Tages fest, dass du dir etwas gewünscht hast, was du dir niemals hättest wünschen dürfen.«
    Ich kam nicht mehr dazu, sie zu fragen, was sie damit meinte, denn Mummy betrat das Zimmer. Sie zog den Staubsauger hinter sich her und war eindeutig sauer. Offensichtlich heckten wir beide mal wieder etwas aus.
    »Warum setzt du dem Kind solche Flausen in den Kopf?«
    Worüber wir gesprochen hatten, konnte Mummy bei dem Getöse des Staubsaugers gar nicht gehört haben, aber sie sagte das immer, egal, ob sie Grandma und mir zugehört hatte oder nicht.
 
    Während unseres ersten Winters in Lherm fiel Schnee. Monsieur Martin, unser zahnloser Wahrsager, hatte behauptet, es werde nicht schneien: »Wir haben hier seit zwanzig Jahren keinen Schnee mehr gehabt.« Also wünschten Charlie und ich es uns mit aller Kraft. Und tatsächlich - der schwere graue Himmel ließ winzige weiße Tropfen fallen, sodass wir uns anfangs nicht ganz sicher waren. Doch dann schwebten sie herunter, große, nasse Flocken, die sich weich auf unsere Gesichter legten, denn wir standen draußen, Charlie mit ausgebreiteten Armen und offenem Mund, um sie zu begrüßen.
    Am nächsten Morgen waren die Sträßchen auf dem Weg zur Hauptstraße, die nach Cahors führte, von dicken Schneewällen gesäumt. Dieses Bild erinnerte mich daran, wie ich als Kind in Australien einmal im Skigebiet von Thredbo angekommen war - diese Faszination, diese Begeisterung über all das Weiß, das aussah wie der Zuckerguss auf einem Kuchen, auf unserem Hochzeitskuchen.
    Jedenfalls bis zu dem Morgen, an dem Marc das Eis von der Windschutzscheibe kratzte und zwischendurch beiläufig sagte: »Achte auf verglas !«
    Ich hatte den Motor schon angelassen, damit das Gebläse die Scheiben frei machte und der Wagen warm wurde. »Was ist verglas?«
    »Glace.«
    Zuerst stellte ich mir Eiscreme vor, doch dann dämmerte es mir.
    »Du meinst Eis auf der Straße?« Plötzlich ging mein Atem schneller. »Glatteis?«
    Marc nickte. »Oui.«
    »Cool«, sagte Charlie.
    »Jetzt guck doch nicht so ängstlich, Annie!« Inzwischen war Marc mit seinem Kratzer an meinem Seitenfenster angelangt. Als die scharfe Kante auf dem Glas quietschte, kriegte ich eine Gänsehaut. »Fahr einfach langsam, très lentement, besonders in den Kurven, und was auch passiert, du darfst auf keinen Fall bremsen.«
    Ich fragte mich, ob er Witze machte. Dafür, dass ich keine Angst haben sollte, gab es eine Menge zu beachten, fand ich. Nicht bremsen? wie soll ich denn dann anhalten?, überlegte ich.
    »Was passiert denn, wenn ich bremse?«
    Aber das hätte ich lieber nicht fragen sollen. »Tu vas déraper. Du kommst ins Schleudern.«
    »Whoa!« Charlie hatte sich schon angeschnallt, bereit für das Abenteuer.
    Und ich malte es mir sofort aus - wie ich mit dem Fuß auf der Bremse mit Charlie von der
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