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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman
Autoren: Susan Fraser
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an den Fluss hinuntergegangen. Es war mitten in einem besonders kalten Winter, sodass das Wasser wohl nicht mehr als fünf Grad warm war, und der Hund fiel hinein. Also legte Serge sich auf die alte Steinbrücke und reckte den massigen Oberkörper über die Fluten. Er wollte seinen Hund am Halsband zu fassen kriegen, um ihn herauszuziehen. Aber er beugte sich zu weit vor und fiel selbst hinein. Serge ertrank, der Hund jedoch überlebte, weil es ihm gelang, sich ein paar hundert Meter flussabwärts von der Brücke aufs Ufer hinaufzukämpfen. Ich hätte gerne gewusst, was dem Mann durch den Kopf ging, als er von den Wogen mitgerissen wurde - waren es Gedanken an seine Frau, an seine vier Kinder oder Bedauern? Und was muss seine Frau gedacht haben, als der Hund dann zottig und nass zu Hause angetrottet kam? Wen hatte sie verflucht, den Hund oder ihren Mann?
    Der Fluss trieb uns seitwärts ab und brachte uns ans Ufer, als er schließlich genug von uns hatte. Ich spürte weichen Boden unter den Füßen. Wir waren in Sicherheit. Ich kämpfte, zog Charlie mit. Prustend und auf allen vieren arbeiteten wir uns zum Ufer vor.
    Das Erste, was ich sah, waren die Füße. Marc stand auf der Böschung, die Hände in die Hüften gestemmt, und wartete. Er hatte also überlebt. Jetzt würde ich ihn umbringen.
    »Alors? Das war toll, non?«, sagte er.
    Ich kauerte immer noch im Fluss, wehrte mich gegen den Sog und spürte, dass meine Knie im flachen Wasser schmerzhaft gegen scharfe Steine drückten. So schaute ich ihm ins Gesicht. Ich glaube, den Ausdruck in seinen Augen werde ich nie vergessen: Sie waren groß und glühten vor Begeisterung. Da kapierte ich es - ich hatte einen Wahnsinnigen geheiratet.
    »Marc«, sagte ich mit leiser Stimme, während ich schwankend auf die Füße kam. »Charlie wäre fast ertrunken.«
    Aber vermutlich konnte er mich vor Lachen gar nicht hören. Doch, er lachte - über mich. »Aber Annie, du hast ja noch dein Kleid an!«
    Ich sah an mir hinunter. Das Kleid war durchsichtig geworden und klebte mir voller Schlamm und Schmutz am Körper.
    »Ja, natürlich! Zum Ausziehen war keine Zeit!«, rief ich unter Tränen. »Ich musste reinspringen und unseren Sohn retten.«
    Plötzlich hörte Marc auf zu lachen. Vielleicht hatte er endlich die Bedeutung meiner Worte erfasst - die Tragweite dessen, was hätte geschehen können. Aber nein.
    »De quoi tu parles, Annie? Du steigerst dich da in etwas rein.« abweisend zuckte er die Achseln und schaute an mir vorbei zu Charlie. »Hat das nicht Spaß gemacht?«
    Kochend vor Wut, wandte ich mich zu unserem Sohn um, der zitternd und keuchend am Ufer stand. Er hatte die Arme über der Brust verschränkt, seine Lippen waren blaurot, die Zähne klapperten, und sein Gesicht war noch eine Spur weißer als weiß.
    »Ja, Charlie, sag Papa, wie viel Spaß dir das gemacht hat!«
    Einen Augenblick lang schwieg Charlie; er blickte von mir zu Marc hinüber und dann aufs Wasser. Wir warteten angespannt. Es ist grausam, sein Kind zu zwingen, sich für Mutter oder Vater zu entscheiden, Partei zu ergreifen. Aber diese Situation hier war meiner Ansicht nach ein anderer Fall - es war ja sonnenklar, dass Marc einfach ein Idiot war. Das Wunderbare an Kindern ist jedoch, dass sie nicht berechenbar sind.
    »Es war cool.«
    Weiter äußerte er sich nicht. Wie gesagt, Jungs müssen zu Männern werden.
    Erst nachdem ich mich ganz aufs Ufer hinaufgezogen hatte, wobei ich Marcs ausgestreckte Hand ignorierte, bemerkte ich das Blut, das aus meinem Fuß ins Gras sickerte. Ich musste mir beim Reinspringen einen Schnitt geholt haben.
    »Mais, was hast du denn gemacht, Annie?«, fragte Marc plötzlich erschrocken, während er sich bückte und über meinen Knöchel strich. »Oh là, là!«, sagte er fürsorglich. »Du musst wirklich vorsichtiger sein. Nächstes Mal behältst du besser die Sandalen an, non?«

5
 
    Z u Beginn des Winters war auch die Jagdsaison in vollem Gange. Wir konnten die Jäger in den Wäldern rings um Lherm hören: ihre Rufe, das aufgeregte Gebell der Hunde, wenn sie ihre Beute gestellt hatten, und die Gewehrschüsse.
    Wie sollen wir denn jetzt spazieren gehen, ohne abgeknallt zu werden?, fragte ich mich.
    Jeden Sonntagabend parkten Andre, der Sohn des Bürgermeisters, und seine Kumpel mitten im Dorf. Das Jagdfieber hatte ihre roten Wangen noch tiefer gefärbt, und sie klatschten in die blutigen, aufgescheuerten Hände - Zeit für ein Bier. Sie hatten es sich verdient, denn hinten in
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