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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
Autoren: Petros Markaris
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machen.
      »Die setzen sich an die Stelle der Heiligen Jungfrau? Jesus Maria!« Adriani ist empört und bekreuzigt sich.
      »Liebe Frau Charitou«, wirft die Despotopoulou besänftigend ein, »darf man denn erwarten, dass sich Götzendiener respektvoll benehmen?«
      »Buddhisten«, verbessert die Pachatouridou.
      »Auch Buddhisten sind Götzendiener. Sie verehren ja die Buddhastatue.«
      Ich schicke mich gerade zum Weitergehen an, als mich Despotopoulos zurückhält. Auf mysteriöse Art und Weise taucht er immer in meiner Nähe auf. »All das ist zwar eindrucksvoll, aber Byzanz ist ein Fremdkörper und hat keinen Bezug zu Griechenland.«
      »Wie kommen Sie denn darauf?«, frage ich überrascht.
      »Griechenland ist die Wiege der abendländischen Kultur. Das hier ist der Orient. Wenn man vom orthodoxen Glauben absieht, steht Byzanz den Türken näher als uns Griechen.«
      »Wieso wollen Sie Konstantinopel dann zurückhaben?«
      »Weil strategisch gesehen der naturgemäße Expansionsraum Griechenlands im Osten liegt. Nach Westen gibt es keinen Lebensraum für uns. Das hat schon Alexander der Große begriffen«, stellt der Feldherr a. D. klar.
      Adriani hält mich am Unterarm zurück und lässt die restliche Mannschaft weiterziehen. »Nette Leute«, meint sie, nachdem die anderen außer Hörweite sind. »Aber manchmal unerträglich.«
      »Beschwer dich nicht, ich habe dir vorgeschlagen, alleine herzukommen, aber du wolltest ja nicht.«
      »Mit dem Mirafiori!« Sie schreit fast, so zornig ist sie. »Die Fahrt Athen-Istanbul mit dem Mirafiori zu machen! Es gibt auf der Welt nur einen einzigen Polizisten, der keinerlei Gespür für Gefahrensituationen hat, und das ist ausgerechnet mein Mann!«
      Sie lässt mich stehen und kehrt zur Reisegruppe zurück. Und ich denke mir, eine Reise, die eher einer Flucht als einer Vergnügungsfahrt gleicht, steht unter keinem guten Stern.
     
     

* 2
     
    Wer den Spruch »Die Sünden der Eltern baden die Kinder aus« in die Welt gesetzt hat, muss mit Sicherheit kinderlos gewesen sein. Denn wenn ich mich umschaue, sehe ich weit und breit kein Elternpaar, das seinen Abkömmlingen das Leben schwermacht. Die meisten kleiden ihre Kinder in Samt und Seide, und wenn sie sich trendige Markenprodukte nicht leisten können, dann muss eben ein überzeugendes Imitat her, das wie ein Original aussieht, damit der Sprössling keine seelischen Schäden davonträgt. Sie bringen ihre Kinder zum Englischkurs, zum Französischunterricht, zur Deutschstunde und zur Nachhilfe, und sobald sie die Panhellenischen Prüfungen für das Universitätsstudium bestanden haben, kaufen sie ihnen auch ein Auto, mit dem schlagenden Argument: »Das arme Kind muss auf dem Weg zur Uni zwei Mal umsteigen!« Auch wenn dies alles unter falscher Erziehung und folglich unter »elterlichen Sünden« firmiert, eines ist sicher: Die Kinder leiden nicht darunter.
      All das führe ich an, weil ich zu Recht stolz darauf bin, dass ich solchen Sünden nicht verfallen bin. Katerina hat nicht mehr Nachhilfeunterricht bekommen als unbedingt nötig. Ihr Englisch hat sie auf dem Lyzeum gelernt, und über ein anderes Fortbewegungsmittel als den öffentlichen Verkehr verfügt sie auch heute nicht.
      Doch was ist mit den Eltern, die unter den Entscheidungen der Sprösslinge zu leiden haben? Darüber sagt der unbekannte Kritiker der Elternseite nicht das Geringste. Kann ja sein, dass Katerina ihre Doktorarbeit ohne große Ansprüche an uns und mit spartanischer Lebensweise geschafft hat, andererseits jedoch sind ihre Entscheidungen stets wie ein Blitz aus heiterem Himmel über uns hereingebrochen. Sie liebt uns, sie sorgt sich um uns, sie kümmert sich um uns, doch immer war sie die alleinige Urheberin aller Entscheidungen und wir nur die Adressaten ihrer Beschlüsse. In der zweiten Klasse des Lyzeums verkündete sie uns, sie wolle Jura studieren. Als sie den Abschluss machte und ich mich bei Freunden und Bekannten in der Staatsanwaltschaft nach einer seriösen Anwaltskanzlei umhörte, wo sie ihr Referendariat machen könnte, teilte sie uns mit, sie wolle promovieren. In den darauffolgenden Jahren war ein Posten in der Richterschaft ihr erklärtes Ziel, doch als sie die Doktorarbeit beendete, gab sie umgehend bekannt, sie plane, bei ihrem Professor zu bleiben und eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Schließlich beschloss sie, Staatsanwältin zu werden. Doch als sie ihr Referendariat in einer
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