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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
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daß ich das selbst nicht wußte . Oder daß ich nicht klug wurde aus dem, was geschah. Etwas Unerklärliches ging in mir vor: ein Gefühl. Wider alle Vernunft fühlte ich mich glücklich und zufrieden. Und ich fragte mich, ob das die Regel wäre: daß ein Mann sich den Schädel einrennen mußte , um hernach aufwachen zu dürfen im Paradies.
    Ruth wollte aufstehen.
    „Du hast jetzt sicher Durst", meinte sie. „Ich hole dir was."
    Jähe Panik überfiel mich. Ruth durfte nicht fortgehen. Sobald ich zuließ, daß sie sich entfernte, mußte es mit dem Paradies vorbei sein, würde alles wieder werden wie zuvor: grau und kalt und voller unbestimmbarer Sehnsucht, wie es sie im Paradies nicht gab. Und diese Sehnsucht wollte ich nie wieder verspüren müssen. Ich umklammerte Ruths Handgelenke.
    „Bleib!"
    Sie hatte sich vorgenommen, mich mit etwas Trinkbarem zu versorgen, und begriff mein Entsetzen nicht.
    „Aber... "
    Ich hielt sie fest.
    „Bitte, Ruth, bleib! Bitte!"
    Aber die winzige Bewegung, die sie bereits gemacht hatte, reichte aus, um mir an ihrer Schulter vorbei den Blick ins Cockpit freizugeben.
    Sie bemerkte mein Erstaunen.
    „Was ist denn los, Mark? Was gibt es da zu sehen?"
    Ich hob eine Hand, die schwer war wie Blei, und Ruth wandte den Kopf.
    „Mag sein, daß es gar nichts zu bedeuten hat", sagte ich. „Trotzdem - sieh genau hin!"
    Ruth sah nichts. Sie fragte:
    „Was soll denn da sein?"
    „Die Zeiger!" sagte ich. „Sie haben sich bewegt."
    Und dabei blieb es zunächst.
    Die Zeiger der Uhr, die an der goldenen Kette über dem Pult hing, bewegten sich - der große schneller als der kleine; und am schnellsten der Winzling im separaten Feld. Und die SCOUT zog weiter ihre Bahn durch den leeren Raum - nur daß dieser nicht mehr ganz so leer war wie zu Beginn der Reise.
    Es gab den neuen Stern.
    In der Leere bildete der Stern einen unübersehbaren Meilenstein.
    Wohin die Reise ging, ließ sich weniger denn je vermuten, denn die Geburt des neuen Himmelskörpers mußte grundlegend neue Verhältnisse geschaffen haben.
    Obwohl ich wußte , daß, solange die Zeiger sich bewegten, wir uns in der Zeit befanden, regte ich mich nicht auf.
    Der Großmeister hatte vor der Zeit gewarnt.
    Warum eigentlich?
    Nun war sie da, ich fand an ihr nichts auszusetzen, Ruth genauso wenig.
    Vor allen Dingen - die Zeit tat nicht einmal weh, wie ich nach meinem Gespräch mit dem Großmeister befürchtet hatte. Ich empfand sie als einen Zustand ohne jedes Merkmal. Wären da nicht die Zeiger der Uhr gewesen, die sich bewegten, ich hätte die Zeit nicht wahrgenommen. Doch obwohl ich mit ihr weiter nichts anzufangen wußte , ließ ich sie mir gefallen. Auf einmal lebte ich im Jetzt.
    Ich erinnere mich an endlose Gespräche, die Ruth und ich führten, weil wir sie jetzt führen wollten und nicht irgendwann, aber auch an Stunden des erfüllten Schweigens, des wortlosen Verstehens im gemeinsamen Auskosten des Jetzt-Empfindens.
    Doch die Zeit blieb nicht stehen. Minuten summierten sich zu Stunden, Stunden zu Tagen, Tage zu Wochen. Es kam ein Morgen, an dem mich Ruth aus den Federn scheuchte.
    „Mark, steh auf. Du mußt etwas überprüfen. Komm!"
    Ich schielte nach der Uhr über dem Pult und gähnte: Halb fünf. Und überhaupt war mir nicht nach Aufstehen zu Mute.
    „Überprüfen - jetzt, so mitten in der Nacht?" protestierte ich.
    „Jetzt!" bestätigte Ruth unerbittlich. „Es scheint wichtig zu sein."
    Ich schlurfte ins Cockpit. Ruth war schon dort und hockte wie anbetend vor dem Gravimeter. Ich stellte mich neben sie und warf einen verschlafenen Blick auf den Schirm. Und plötzlich war ich hellwach.
    Zwei Anzeigen.
    Die eine stärker: Das war der Stern, die andere kaum mehr als eine Ahnung.
    Ruth drehte mit spitzen Fingern an den Knöpfen, und das Signal wurde deutlicher.
    „Wofür hältst du das, Mark?"
    „Und du?"
    „Ich halte es für ein Schwerefeld, künstlich vielleicht, aber immerhin." Sie schaltete den Rechner zu. „Nicht sehr stark, nicht sehr groß, aber auch nicht sehr weit entfernt. Nun überlappt es die Konkurrenz."
    Ruth war in ihrem Element. Gravitationen gehörten zu ihrem Fachgebiet an der Universität. Schneller als ich es hätte tun können, verglich sie die gewonnenen Werte mit unserem Kurs.
    „Und was immer es auch ist, Mark, es hat uns schon eingefangen."
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    3.
    Inzwischen weiß ich, was Kolumbus empfand, als nach siebzig endlosen Seetagen aus der Wasserwüste des atlantischen Ozeans die Bergkämme der Neuen
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