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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
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Ich verstand mich selbst nicht.
    „Draußen", antwortete ich, „geht es zu wie im himmlischen Kreißsaal. Wir sind mitten hineingeplatzt. Ein neuer Stern wird gerade geboren."
    Sie sann über meine Erklärung nach, und ihr Gesicht nahm Farbe an. Ein Lächeln glomm in ihren Augen.
    „Ein neuer Stern? Mark, das ist ja wunderbar!"
    Es reichte, daß wenigstens sie das wunderbar fand - mir ging es um das Nächstliegende. Ich klappte den Recycler auf, tauchte mit dem Oberkörper hinein und machte mich systematisch auf die Suche nach der Ursache der Störung. Nun bin ich nicht unbedingt ein gelernter Mechaniker, und so dauerte es eine Weile, bis ich wußte , was mit der Anlage los war.
    Ein haarfeiner Riß im Filter.
    Eine Bagatelle.
    Ein Filter auszutauschen, war Sache von ein paar Handgriffen. Danach würde der ewige Kreislauf der Dinge wiederhergestellt sein.
    Alles, was ich dazu brauchte, war ein Ersatzfilter.
    Nie hatte ich mich elender gefühlt als bei der Erinnerung an das Gespräch mit dem Graukopf - irgendwann vor dem Start.
    „Und wie steht es denn so mit Ersatzteilen, Väterchen?"
    Ich glaubte ihn wieder vor mir zu sehen, wie er abwinkte.
    „Sohn, denk selber nach. Ohne Zeit altert das Material nicht, und ohne Alterung gibt's keinen Verschleiß. Mit diesem Vogel kann einer unterwegs sein, solange er Lust hat, ohne daß da etwas ausgetauscht werden müßte ."
    Theorie und Wirklichkeit. Und nun bekamen wir die Quittung.
    Ruths Brustkorb hob und senkte sich immer qualvoller. Schweiß perlte auf ihrer Stirn. Der Sauerstoffgehalt der Luft fiel und fiel. Ich spürte es auch. Meine Bewegungen wurden unkonzentriert, der Verstand war von jäher Müdigkeit befallen.
    Es war nicht zu glauben. Auf dem ganzen Schiff, dem Stolz der Kosmonenflotte , gab es kein Ersatzfilter.
    Das war das Ende.
    Viel weiter vermochte ich nicht mehr zu denken. Und dann setzte das Bedauern ein - aber nicht so sehr um mich. Es ging um das Vertrauen in den auf mich gerichteten großen seegrünen Augen, das ich nun enttäuschen mußte . Auf eine solch läppische Art und Weise auszuscheiden, hat die O'Hara nicht verdient. Wie würde sie die Erkenntnis tragen: alles zu verlieren, diese noch ungelebte Ewigkeit, nur weil ein Ersatzteil fehlte?
    Ein Stück Gaze, briefmarkengroß.
    Ließ sich denn gar nichts unternehmen. Ich zermarterte meinen Kopf. Und mit jedem Atemzug wurde die Luft schlechter.
    Was mochten sich die Werftheinis gedacht haben, als sie ihren utopischen Lehrsatz aufstellten? Absolute Unsterblichkeit gab es nicht. Das galt auch für das Material. Ein im Programm nicht eingeplanter Zwischenfall - und die ganze SCOUT war gerade so viel wert wie ein defektes Filter.
    Das konnte nicht sein.
    Das durfte nicht sein.
    Irgendwie mußte es eine Möglichkeit geben, den Schaden zu beheben. Was die Situation erforderte, stand in keinem Handbuch, bedeutete Improvisation. Ich mußte mir etwas einfallen lassen, schleunigst. Meine Gedanken krochen langsam, wie gelähmt.
    Und als mir schließlich die Erleuchtung kam, glaubte ich nicht an den Erfolg.
    Aber versuchen mußte ich es.
    Aus meinem Handgepäck holte ich Nadel und Faden. Falls es mir gelang, den Riß im Filter kunstvoll zusammenzuziehen, mochte die SCOUT noch eine Chance haben. Und wir mit ihr.
    Vor dem Recycler kniete ich mich hin und machte mich daran, den Faden einzufädeln. Die Sicht war miserabel, und ich war am Ersticken. Und um das Maß des Unheils vollzumachen, waren meine Hände für diese Feinarbeit zu plump.
    Schweiß rann mir in die Augen. Und Faden und Nadelöhr wollten einfach nicht zueinander finden.
    Unser Schicksal lag in meiner Hand, und diese Hand versagte. Gab es denn in diesem ganzen verdammten Himmel keinen rettenden Engel, der mir seine ruhige Hand lieh? Verzweiflung bemächtigte sich meiner.
    „Mark, wo ist das Problem?"
    Die Stimme im Nebel war zwar nicht die eines Engels - und dennoch mochte sie die Rettung ankündigen. Schonungslos bekannte ich Farbe:
    „Ich will versuchen, das Filter zu flicken, aber ich kriege den Faden nicht ins Öhr ."
    „Gib her!" Sie kniete neben mir und nahm mir mein bescheidenes Werkzeug aus der Hand. „Und nun zeig mir, was ich flicken soll!"
    Als sie mit dem Vernähen fertig war, baute ich das Filter wieder ein, und aus den Luftschlitzen kann belebende, sauerstoffhaltige Frischluft gezogen und fegte den Nebel hinweg. Auch das Tröpfeln hörte auf. Der Kreislauf der Dinge an Bord der SCOUT war wieder geschlossen.
    „Alles klar,
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