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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
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Ziel Ihrer Reise sein?"
    Über das Wohin hatte ich bislang nicht nachgedacht. Mit einer einzigen Frage hatte mich der Großmeister in die Enge getrieben. Ich sann über eine angemessene Antwort nach, und mein Blick ruhte auf der Vitrine mit den gehüteten Reliquien einer verschollenen Vergangenheit.
    Da gab es die fotografische Abbildung einer fremdartigen Welt von unbeschreiblicher Schönheit. Über der Landschaft lag ein intensives Licht, das hier und da starke Schatten warf.
    Weiter gab es in der Vitrine ein dickes Buch mit ausgefransten Seiten, das man die Bibel nannte. Gelegentlich wurde daraus vorgelesen. Besonders die Schöpfungsgeschichte hatte auf mich Eindruck gemacht.
    Und es gab eine zwiebelförmige Uhr mit goldener Kette. Auch ihre Zeiger waren von ewiger Totenstarre befallen.
    Alles das waren stumme Zeugen einer Herkunft von dem verlorenen Mutterplaneten.
    Meine Gedanken arbeiteten. Der Großmeister spürte das. Er sagte: „Vielleicht fällt Ihnen die Antwort leichter, wenn ich Sie frage : Was fehlt Ihnen auf Cosmopol ?"
    „Eigentlich", antwortete ich ehrlich, „weiß ich das selbst nicht so recht. Eigentlich habe ich hier alles, was man so braucht. Eigentlich gibt es für mich keinen Grund, mich zu beklagen. Und - "
    Der Großmeister war ein weiser Mann. Denn wieder unterbrach er mich:
    „Jede Ihrer Beteuerungen wurde eingeleitet mit dem Wörtchen 'Eigentlich'. Liegt da nicht irgendwo der Schlüssel zu Ihrer Unzufriedenheit?"
    Wieder einmal hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen.
    „Eigentlich", erwiderte ich, „finde ich in all dem keinen Sinn."
    Der Großmeister ließ mich einen Seufzer hören.
    „Brandis", sagte er dann, „man kann nicht alles haben. Als es Cosmopol hierher verschlagen hat - niemand weiß wann und warum, denn die Erinnerung ist ausgelöscht - als das geschah, hat man das sicher für ein entsetzliches Unheil gehalten. Doch irgendwann kam man dahinter, daß es in diesem Teil des Universums, in dem wir uns heute befinden, die mörderische Zeit nicht gibt, die anderswo alles altern läßt und zerstört, und da erkannte man im Unglück das unverhoffte Glück. Wir sind zu Kosmonen geworden, und Kosmonen sind unvergänglich. Nur fremde Gewalt kann sie vernichten."
    Der Großmeister behielt mich fest im Auge, als er hinzufügte:
    „Einen anderen Sinn vermag ich Ihnen nicht zu nennen."
    Die Worte, die der Großmeister für meine Zweifel fand, waren gut. Sie waren warmherzig und wohlabgewogen, und vielleicht hätte ich mich von ihnen noch einmal überzeugen lassen, wäre da nicht über unseren Häuptern die kristallene Kuppel gewesen. Und auf dieser lastete das Nichts der leeren Unendlichkeit und machte mich krank.
    Ich überlegte wohl zu lange, denn in den nächsten Worten des Großmeisters lag ein Hauch von Ungeduld.
    „Also, Brandis - was würde Ihr Ziel sein? Konkret! Mit Wegfliegen allein ist es ja nicht getan. Also?"
    Und nun, plötzlich, lag es vor mir, das Ziel - eine leuchtende Vision.
    „Seit je her", sagte ich, „höre ich immer die gleiche Litanei. Wir müßten uns aufraffen und eine Expedition losschicken, um den verlorenen Mutterplaneten zu suchen. Aber Tatsache ist doch: eine solche Expedition ist nie aufgebrochen, und sie wird nie aufbrechen. Und wir werden auch weiterhin von der Erde, der wir unsere Herkunft verdanken, lediglich träumen."
    Meine Rede, mit einer gewissen Unsicherheit begonnen, gewann an Festigkeit.
    „Einer muß es tun. Einer muß aufbrechen. Ich."
    Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, nannte ich den Beweggrund:
    „Dann bekommt alles für mich einen Sinn."
    Die schlanke Hand des Großmeisters hob sich plötzlich dem Nichts über unseren Häuptern entgegen, der schrecklichen Leere ohne Maß und Ende.
    „Sehen Sie das, Brandis? Darüber gibt es keine Aufzeichnungen, keine Karten, geschweige denn ein Computerprogramm. Völlig auf sich allein gestellt, würden Sie darin nach der Nadel im Heuhaufen suchen - mit verbundenen Augen."
    Bevor er fortfuhr, ließ er die Warnung wirken.
    „Und was, wenn es diese Nadel überhaupt nicht mehr gibt? Was, wenn die Erde in der kosmischen Katastrophe, die Cosmopol hierher verschlagen hat, untergegangen ist? Was dann?"
    In einem solchen Fall würde ich als Irrläufer enden: ein heimatloses Objekt, verdammt zu ewiger Einsamkeit. Mich schauderte.
    Die Hand kehrte aus dem Nichts zurück und legte sich auf meine Schulter.
    „Brandis, überlegen Sie!"
    Hätte er mich besser verstanden, wenn ich ihm
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