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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
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Mark?"
    „Alles klar, Ruth."
    Und so wie wir beide da vor dem Recycler hockten, fielen wir uns um den Hals, lachend und weinend.
    Irgendwann stemmte ich mich hoch. Und ein Licht, das mich erblinden machte, brach durch die Scheiben, zusammen mit einem Knall, der die Trommelfelle bersten ließ.
    Die SCOUT bäumte sich auf und überschlug sich. Und ich, fast blind, fast taub, flog durch den Raum und prallte mit dem Kopf gegen den Recycler . Mir schwanden die Sinne.
    Irgendwann merkte ich, daß mein Schädel brummte.
    Und irgendwann fielen mir die traurigen Augen des Großmeisters ein. Nie zuvor war mir in den Sinn gekommen, daß auch der Großmeister an einer Sehnsucht kranken mochte - an der Sehnsucht nach dem Namenlosen, dem Unbenennbaren .
    Der Abend vor dem Start... Der letzte Abend...
    Wir saßen vor der erleuchteten Vitrine, gefangen in wortlosem Verstehen, bis der Großmeister aufseufzend das Schweigen brach:
    „Vielleicht, Brandis, werden Sie finden, was Sie suchen, vielleicht auch nicht. Aber so oder so werden Sie zu der Erkenntnis gelangen, daß auf der Welt alles seinen Preis hat."
    Ich hob den Blick und sah die Trauer in seinen Augen - und ich wußte , daß ich ihm mit meiner Antwort unrecht tat.
    „Und nur deshalb darf es hier keine Veränderungen geben?"
    Er dachte über meinen Vorwurf nach. Und dann begegnete er ihm mit unverdienter Milde:
    „Es scheint ein Gesetz zu geben, ein höheres, das darüber wacht, daß man nicht alles zugleich haben kann, das eine wie das andere."
    Die Auskunft befriedigte mich nicht. Ich bedrängte ihn:
    „Was habe ich denn - konkret?"
    Der Großmeister wiegte das Haupt, und ich begriff, daß meine Zunge vorschnell gewesen war.
    „Brandis, Sie haben das ewige Leben. Ist das etwa nichts?" Er kam meinem Einwand zuvor. „Ich weiß, das ödet Sie an. Ich weiß.
    Glauben Sie, Sie sind der einzige, dem es so ergeht?" Wieder gab er mir keine Gelegenheit, ihm zu widersprechen. „Und das, Brandis, ist der Preis. Was wir, indem wir zu Kosmonen geworden sind, gewonnen haben, bezahlen wir mit dem Verlorenen."
    Die Worte des Großmeisters waren dunkel, voller Rätsel. Er durchschaute meine Verwirrung, denn er erhob sich. Er trat vor die Vitrine. In seiner Hand blinkte der goldene Schlüssel.
    „Ich werde Ihnen etwas zeigen, Brandis - etwas, was sonst noch keiner in Cosmopol zu sehen bekommen hat. Ich fand es zwischen den Seiten der Bibel."
    Der letzte Abend vor dem Start...
    Und der Großmeister enthüllte mir sein Geheimnis.
    Eine Fotografie. Zwei Personen Seite an Seite. Ein M-Typ und ein W-Typ. Vulgär gesprochen: Mann und Frau. Der Arm des Mannes ruhte auf der Schulter der Frau. Und beide blickten einander an.
    Das war alles. Eine Fotografie. Und dann war das doch nicht alles. Denn ich hatte das Glück gesehen, das aus den Augen der beiden strahlte.
    Auch der Großmeister mußte es gesehen haben, denn, als er mir die Abbildung behutsam aus der Hand nahm, sagte er:
    „All das ging verloren, Brandis. Auch das gehört zum Preis, den wir entrichten." Und mit einer überraschenden Bewegung, als wollte er mich segnen, legte er mir die Hand auf den Scheitel. „Wie gesagt, man kann nicht alles haben, das eine wie das andere. Lassen Sie sich Ihren Entschluß noch einmal durch den Kopf gehen! Oder sind Sie sich Ihrer Sache so sicher?"
    Die Hand strich mir über das Haar, wieder und immer wieder, und ich hielt still und genoß die Wohltat der Berührung.
    „Ich bin sicher", erwiderte ich.
    „Mark, endlich!" Doch nun war es nicht die Stimme des Großmeisters, die den Faden weiterspann. Es war die Stimme von Ruth O'Hara. „Endlich kommst du zu dir. Was hast du mir sagen wollen? Du bist sicher..."
    Ich machte die Augen auf und befand mich wieder an Bord der SCOUT.
    Und es war nicht länger die Hand des Großmeisters, die mich liebkoste - denn auch die Hand gehörte zu Ruth O'Hara. Und mein Brummschädel lag in ihrem Schoß. Sie kauerte neben dem Recycler , und ihr ovales Gesicht war über mich geneigt, und die Augen darin bildeten grüne Seen - klar, tief und still - eingerahmt von der Farbe reifer Kastanien.
    Die Augen flehten um ein neues Wort von mir.
    Und so krächzte ich: „Ruth... "
    Ihre Brust weitete sich unter einem Seufzer der Erleichterung.
    „ Dem Himmel sei Dank, Mark. Ich hatte schon Angst, du kämest gar nicht mehr zu dir. Du hast eine üble Wunde am Hinterkopf. Ich habe sie schon verarztet. Aber du warst sehr lange bewußtlos . Wie fühlst du dich?"
    Die Wahrheit ist,
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