Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
Vom Netzwerk:
Stationsmeister druckste eine Weile herum und platzte dann heraus:
    „Das Bodenpersonal hat geschlampt. Das für Sie bestimmte Neutralin steht noch im Hangar."
    Nur schade, daß der Graukopf meine gelangweilte Handbewegung nicht sah.
    „Was zum Teufel soll ich hier damit? Verteilen Sie es an die Bedürftigen!"
----
    2.
    Wo ich flog, gab es weder Tag noch Nacht.
    Es gab kein Licht.
    Es gab keine Dunkelheit.
    Es gab keine Temperatur.
    Es gab nichts.
    Und das Nichts läßt sich nicht beschreiben.
    Wo ich flog, schien die Schöpfung noch nicht stattgefunden zu haben - jene Schöpfung, von der die Bibel spricht. Und selbst wenn man die kosmische Entstehungsgeschichte so begreift, wie das die Wissenschaftler tun, war ich ihr gewissermaßen zuvorgekommen. Meine SCOUT zog ihre einsame Bahn durch ein Universum, das es praktisch noch gar nicht gab - eine Erkenntnis, die mich ebenso mit einem ungeahnten Glücksgefühl erfüllte als auch mit panischer Angst.
    Immer dann, wenn mir die Panik den kalten Schweiß auf die Stirn trieb, hätte ich am liebsten klein beigegeben und wäre heimgekehrt in den Stumpfsinn der heimatlichen Ordnung. Einmal unternahm ich sogar den Versuch und gab dem Pomnik Befehl, mich zurückzulotsen , doch der Monitor sah mich aus leeren Augen verständnislos an.
    Ich verlor die Nerven und schrie den Pomnik an. Ich bearbeitete ihn mit den Fäusten. Ich flehte und bettelte. Nichts half.
    Die unsichtbare Brücke über dem Abgrund, die mich mit Cosmopol verbunden hatte, war endlich eingestürzt. Ich konnte nicht mehr zurück.
    Ich hörte mit der sinnlosen Toberei auf und fand mich damit ab, daß mir keine andere Wahl geblieben war als wie bisher weiterzufliegen, auf ungewissem Kurs, und auf ein Wunder zu warten.
    Nicht umsonst hatte der Graukopf mir Gesellschaft angeraten. Allmählich bekam ich die Einsamkeit zu spüren. Zur Einsamkeit gesellte sich die Langeweile. Die SCOUT brauchte mich nicht. Solange das ersehnte Wunder nicht geschah, gab es für mich am Pult nichts zu tun. Ich konnte im Cockpit auf und ab wandern, ich konnte zur Zerstreuung Musik hören, und ich konnte, wenn mir danach war, die Koje aufsuchen und im Schlaf Vergessen finden.
    Das Eis meiner Selbstbeherrschung wurde brüchig. Es kam vor, daß ich aus der Koje wie ein Wahnsinniger ins Cockpit stürzte, um dort die Stirn gegen das Panzerglas zu drücken und das Nichts mit meinen Blicken zu durchbohren. Wenn ich mich danach wieder in die Koje zurückzog, war es mit Schlaf und Vergessen gründlich vorbei. Dann wälzte ich mich auf der schweißnassen Matratze hin und her und kämpfte mit den Wachträumen, die mich heimsuchten - oder, falls ich dann doch wieder einschlief, mit den Nachtmahren.
    So war es auch, als ich plötzlich den Duft der Erde verspürte und ganz ruhig wurde. Aus dem Abgrund einer vergessenen Erinnerung stiegen Bilder - Bilder von etwas, das ich noch nie gesehen hatte. Und ohne wachzuwerden , wußte ich, daß ich mit geschlossenen Augen glückselig lächelte. Der verlorene Sohn kehrte heim...
    Als ich niesen mußte , wurde ich wach.
    Ich setzte mich auf. Der Duft blieb.
    Ich steckte den Kopf unter die Wasserleitung. Der Duft blieb.
    Ich ging ins Cockpit, und der Duft war auch dort: schwer, herb und geheimnisvoll.
    Ich schloß die Augen und atmete ihn ein, in tiefen, hungrigen Zügen. Es war nicht zu fassen. Eben noch hatte ich die große Leere verflucht, in der sich meine getreue und unermüdliche SCOUT mehr und mehr verlor, ohne auch nur die Andeutung einer Spur zu hinterlassen, - und nun, urplötzlich, fühlte ich mich vor die Tore des Paradieses geführt. Es mußte die Erde sein, die mir diesen sinnbetörenden Willkommensgruß bot. Es konnte nur die Erde sein, der verlorene Planet unserer Herkunft, die Wiege des Lebens.
    Und um meiner Sache ganz sicher zu sein, machte ich die Augen wieder auf und warf einen verklärten Blick auf das Abschiedsgeschenk des Großmeisters. Still und feierlich hing die Uhr an der goldenen Kette über dem Pult mit der Aufgabe, mir den Kurs zu weisen in die Zeit und mich zugleich vor dieser und ihrer schädlichen, ja zerstörerischen Wirkung zu warnen.
    Keine Veränderung.
    Die Zeiger hatten sich nicht gerührt.
    Schlagartig war ich ernüchtert.
    Etwas stimmte nicht. Ich lehnte mich gegen die Verschalung der Wand und dachte nach. Es roch nach Erde, und dieser Duft war mir schon einmal begegnet. Ich kannte ihn.
    Ein leiser Hauch umspielte meine Stirn. Ich sah hoch. Direkt über mir befand sich ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher