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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
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unermüdlich und unerschöpflich die gelichteten Reihen immer wieder auffüllte. Wie ich sehe, hat das funktioniert."
    Zum ersten Mal hörte ich mehr als nur Legenden. Könnte es sein, daß ich den Faden der Ariadne gefunden hatte?
    „Und das zweite Modell, Doc?"
    „Das zweite Modell trägt den Namen Astropol, wo wir uns befinden. Hier ist man einen anderen Weg gegangen, um Langlebigkeit herzustellen - den einer perfektionierten Transplantationschirurgie. Zu diesem Zweck wurden hier ganz Schiffsladungen von Organen aller Art sowie von Blutkonserven eingefroren."
    Die schlanke Hand des Patriarchen wischte etwas Unsichtbares aus.
    „Ich bin noch da, wie Sie sehen. Aber niemand weiß, ob ich noch da sein werde, wenn Sie wiederkommen, junger Freund." Doktor Saul zögerte, bevor er die Diagnose stellte. „Wir sind am Ende des Experiments angelangt. Der Stern und mit ihm der Faktor Zeit! Die Haltbarkeit der Blutkonserven ist gestern abgelaufen."
    Ruth blickte von ihrem Block auf.
    „Und deshalb die Panik?"
    „Und deshalb die Panik", bestätigte Doktor Saul. „Bisher war man ja allgemein der Meinung gewesen, wir hätten es geschafft - nicht zuletzt unter Ausnutzung der erzwungenen Zeitlosigkeit. Das Messer des Chirurgen, mein Messer, regierte. Altes wurde ausgetauscht gegen Neues, und Krankheiten landeten samt der befallenen Organe im Verbrennungsofen. Es gab genug Ersatz."
    Wieder diese Handbewegung, als würde etwas fortgewischt.
    „Nun, jetzt wissen wir es besser. Die Zeit hat uns eingeholt. Wir haben verloren."
    Ich fühlte mich aufgewühlt und erschüttert. Der Patriarch im weißen Kittel verkündete sein eigenes Urteil. Das geschah ohne ein Zittern in der Stimme, ja sogar, so kam es mir vor, mit einer gewissen Genugtuung und Erleichterung.
    „Nichtsdestoweniger", fügte er nach einer Weile im Ton völliger Sachlichkeit hinzu, „kann ich Ihnen die Quarantäne nicht ersparen. Ich bin an meine Vorschriften gebunden. Sie kennen das sicherlich."
    Doktor Saul warf plötzlich den Kopf in den Nacken und horchte. Sein Gesicht verlor an Farbe. Es gefror zu einer bleichen Maske.
    Ruth ließ den Block von den Knien rutschen und horchte nun auch.
    Mit dem Unterbewußtsein hatte ich es längst wahrgenommen, ein hohes Schwirren wie von einer verstimmten Violinsaite, doch aus irgend einem Grund hatte ich es den Geräuschen im Klinikum zugeordnet, in dem wir uns befanden. Das Klinikum war eine verwirrende Anlage mit Dutzenden von Aufzügen, mit blinkenden Lichtern und hermetisch schließenden Türen.
    Ein Blick aus dem Fenster widerlegte die Zuordnung.
    Über der Rampe schwebte ein riesiger feuerroter Raumkreuzer von einer Bauart, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Er war mindestens viermal so groß wie meine brave SCOUT. Jedesmal , wenn er auf der Suche nach dem günstigsten Aufsetzpunkt seine Position geringfügig veränderte, erklang das mißtönende Schwirren.
    „Die Malus-Sekte!" Doktor Saul war mit allen Anzeichen des Entsetzens ans Fenster getreten. „Der Himmel sei uns gnädig!"
    „Wer?"
    „Die Malus-Sekte, Mark", wiederholte Ruth. „So hat er sie jedenfalls genannt."
    Der Raumkreuzer setzte auf. Er tat das so hart, daß sogar das Gebäude, in dem wir uns befanden, vibrierte.
    Doktor Saul wandte den Blick nicht von der Rampe.
    „Hören Sie zu..."
    Auch die Malus-Sekte war ein Produkt irdischer Zivilisation. Ihr Gründer, Malus I., hatte sich zum Antigott proklamiert, aber als er und seine Anhänger sich anschickten, ihre unheilige Lehre mit Gewalt zu verkünden, erlitten sie eine Niederlage nach der anderen, so daß ihnen schließlich nur noch die Flucht in den Weltraum blieb. Wo sie sich dort dann eingenistet hatten, wußte Doktor Saul nicht zu sagen, vermutlich in einer weiteren versprengten Raumstation. Doktor Saul mußte schlimme Erfahrungen mit ihnen gemacht haben.
    „Sie sind eine üble Bande - bis an die Zähne bewaffnet und völlig ohne Gewissen - wie ja schon der Name sagt, den sie sich zugelegt haben. Jedesmal , wenn ihr gegenwärtiger Anführer, Malus XIV., eine Bluttransfusion benötigt, suchen sie uns heim. Ohne die regelmäßige Zuführ von Frischblut würde er dem Siechtum verfallen. Raumanämie."
    Der rote Raumkreuzer fuhr die Gangway aus. Und Doktor Saul befahl:
    „Vom Fenster weg! Sie dürfen euch nicht sehen."
    Mir war nicht klar, wovor er sich so plötzlich fürchtete. Doktor Saul hatte Angst. Er hatte sogar erbärmliche Angst. Und er gab sich keine Mühe, das vor unseren Augen zu
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