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Korona

Korona

Titel: Korona
Autoren: Thomas Thiemeyer
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obendrein von adeliger Herkunft. Ihr Tod löste eine Welle der Entrüstung im ganzen Land aus. Sie wissen vermutlich, welches Problem der Alkohol in Irland darstellt, nicht nur bei Jugendlichen. Er ist eine regelrechte Volkskrankheit. Nun ist das ja nichts Neues. Täglich kommen irgendwelche Idioten wegen Alkohol am Steuer ums Leben und keinen interessiert’s. Aber in diesem Fall sah die Sache anders aus. Der Vater des Mädchens sorgte dafür, dass der Fall in die Presse kam. Fernsehen, Zeitungen, Radio, das volle Programm. Es sollte ein Schauprozess werden, eine öffentliche Hinrichtung. Der Staatsanwalt forderte die höchstmögliche Strafe, und er bekam sie.« Er schmatzte auf seinem Kaugummi herum. »Noch während des Prozesses wurde mir klar, dass nicht ich am Pranger stand, sondern der Dämon Alkohol, der Antichrist, die Nemesis der Grünen Insel. Hier sollte ein Exempel statuiert werden, ein abschreckendes Beispiel für die Jugend. So dachte ich jedenfalls.« Er lachte bitter.
    »Klingt, als hätten Sie Pech gehabt«, sagte Amy. »Selbst für einen Schauprozess kommt mir das Urteil übertrieben hart vor.«
    »Fand ich auch«, sagte Cox. »Besonders, wenn man bedenkt, was mich erwartete.« Er legte den Stift weg. »Mir wurde die besondere Ehre zuteil, in das widerlichste Loch geworfen zu werden, das je auf irischem Boden errichtet worden ist. Ins Dubliner Mountjoy. Ein viktorianisches Hochsicherheitsgefängnis, das in dem zweifelhaften Ruf steht, Europas gefährlichster Knast zu sein.«
    »Mountjoy? Nie gehört.«
    »Ist auch besser so«, sagte er. »Mountjoy ist ein verdammtes Höllentor. Die fünf Gefängnisflügel angelegt wie die Speichen eines Rades. Achtzehn Meter hohe Außenmauern, jeweils vier Meter dick. Alle hundert Meter ein Wachturm, die Pforten durch Stahltore, Stacheldraht und Eisenpfosten gesichert. Plötzlich fand ich mich zusammen mit Terroristen, Mördern, Serienkillern, Brandstiftern und Kinderschändern, verteilt auf die Flügel A bis J. Was ich dort erlebt habe, möchte ich Ihnen, mit Rücksicht auf Ihren gesunden Schlaf, ersparen.« Sein Blick verirrte sich für einen kurzen Moment in der Landschaft, die draußen vorbeizog. Eine Reihe von grünen Hügeln und Obstbaumplantagen zog vorüber. »Ich habe lange nachgedacht, warum man mir das angetan hat«, fuhr er fort, »doch nach einem Jahr in diesem drogenverseuchten Alptraum hatte ich die Erleuchtung. Plötzlich wurde mir klar, warum ich tatsächlich hier war. Nicht weil ich bei überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen war, nicht weil ich alkoholisiert am Steuer gesessen und einen Unfall gebaut hatte.«
    »Sondern?«
    Er straffte die Schultern. »Ich war hier, weil durch mein Verschulden ein Mädchen aus der Upperclass zu Tode gekommen war. Ich hatte im falschen Revier gewildert, und dies war die Antwort. Die Strafe dafür, dass ein Junge wie ich – der in der Gosse groß geworden ist – es gewagt hatte, Hand an etwas zu legen, das ihm nicht zusteht. Etwas Unschuldiges, etwas Unberührtes, etwas
Heiliges.
Sie wissen vermutlich, welche Strafe darauf steht, wenn ein Tagelöhner die Hirsche des Herzogs jagt.«
    Amy nickte. »Ich habe Robin Hood gelesen.«
    »Dann wissen Sie ja Bescheid. Seit dieser Zeit hat sich nicht viel verändert. Nur, dass sie einen heutzutage nicht mehr aufhängen. Wäre das Gesetz ein anderes gewesen, sie hätten es getan, darauf verwette ich meinen Arsch.«
    »Mmh.« Sie blickte geradeaus. Die Geschichte stimmte sie nachdenklich. Sie versuchte nachzuvollziehen, wie ein solcher Prozess wohl in Kalifornien abgelaufen wäre.
    »Und warum Menschenaffen?«, fragte sie.
    Er überlegte kurz, dann sagte er: »Ich möchte einen Neuanfang versuchen. Ein zeitlich und örtlich begrenztes Projekt, das mir hilft, Ordnung in meinen Kopf zu bekommen und mir über meine Prioritäten klarzuwerden. Was Gorillas betrifft, bin ich zwar ein Amateur, aber ich dachte mir, dass ich es erst mal mit Primaten versuche, ehe ich mich wieder mit Menschen einlasse. Sie haben ein nicht ganz so kompliziertes Sozialleben.«
    »Wenn Sie sich da mal nicht täuschen«, sagte Amy. »Was wir mit diesen Tieren Tag für Tag erleben, ist die reinste Soap Opera. Intrigen, Eifersüchteleien, Liebesschwüre, Neid, Missgunst, das ganze Programm.«
    Er grinste. »Klingt vielversprechend.«
    Amy warf ihm einen ernsten Blick zu. »Egal, was Whitman Ihnen zugesichert hat, wenn Sie in meinem Team sind, unterstehen Sie meiner Verantwortung. Sie werden
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