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Korona

Korona

Titel: Korona
Autoren: Thomas Thiemeyer
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essen, wenn ich es sage, Sie werden schlafen, wenn ich es sage, und Sie werden tun, was ich sage. Dies ist eine wissenschaftliche Forschungseinrichtung und kein Vergnügungsdampfer. Nur weil Sie mir vom Alten aufs Auge gedrückt wurden, gibt es für Sie keine Vergünstigungen, keine Privilegien und vor allem keine Extratouren, habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Absolut.«
    Ihr Ton wurde wieder etwas sanfter. »Welchen Schwerpunkt hatten Sie im Studium?«
    »Verhaltensneurologie.«
    »Und was da genau?«
    Ray legte seinen Arm auf die Fensterbank. »Es ging um den freien Willen. Ob Lernen, Reflexion und Bewusstseinsfunktionen nicht doch einfach nur programmgesteuert sind. Komplexität und Freiheit sind nicht unbedingt dasselbe.«
    »Dann gehen Sie also nicht mit Herder d’accord, der Mensch sei
der erste Freigelassene der Schöpfung?
«
    »Hören Sie auf mit Herder«, sagte Ray. »Nur weil wir ein Bewusstsein besitzen, haben wir uns noch lange nicht vom Diktat der Gene befreit. Letztendlich hängen wir doch alle an unsichtbaren Fäden.«
    Amy schwieg. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihren Beifahrer bisher nur nach Äußerlichkeiten beurteilt hatte. Ein schwerer Fehler, wie ihr langsam dämmerte. Ray Cox schien tatsächlich Ahnung von seinem Fach zu haben.
    »Sie wissen, dass William Burke in diesem Bereich geforscht hat?«, fragte sie. »Er hat für seine Beobachtungen an einer neu entdeckten Gruppe in Höhlen wohnender Gorillas die höchste Auszeichnung erhalten, die die Royal Society zu vergeben hat, die
Copley Medal.«
    »Ist mir bekannt.« Cox faltete die Hände hinter dem Kopf. »Um ehrlich zu sein, er ist einer der Gründe, warum ich unbedingt hierher versetzt werden wollte. Wir haben in der Universität damals zwar nur an Ratten und Mäusen geforscht, aber die Ergebnisse lassen sich problemlos auch auf höhere Lebensformen übertragen. Ich habe Burkes Werdegang mit größtem Interesse verfolgt: seine Reisen, seine Forschungen, seine Erfolge. Es war verdammt schwierig, im Knast an Material zu kommen, aber ich kann sehr hartnäckig sein, wenn ich etwas will. Es traf mich wie ein Schock, als ich von seinem Verschwinden erfuhr, zwei Monate vor meiner Entlassung.«
    »Es hat uns alle schwer getroffen. Sein Verschwinden hat uns einen gewaltigen Berg von Problemen aufgebürdet.« Sie bedachte ihn mit einem Seitenblick. »Was genau wollten Sie denn von ihm?«
    »Ich hatte gehofft, ihn eine Zeit lang bei seinen Forschungen begleiten und von ihm lernen zu können«, sagte Cox. »Was ich über seine Beobachtungen an den Gorillas gelesen habe, war einfach atemberaubend. Ich hätte nie geglaubt, dass sich so bald eine Chance bieten würde, an mein Studium anzuknüpfen. Glauben Sie mir, es hat mich schier umgehauen, als Whitman vorschlug, ich solle, statt mich weiter mit Nagern herumzuplagen, den Sprung ins kalte Wasser wagen und bei der Königsdisziplin – den Primaten – einsteigen. Außerdem sagte er, dass es vielleicht ganz hilfreich wäre, erst mal in einer entlegenen Einrichtung anzufangen, ehe ich mich wieder ins das Universitätsgetümmel stürze. Keine Ahnung, wie er das gemeint hat. Vermutlich will er die unschuldigen Studenten vor mir schützen.« Er grinste. »Ist ja auch egal. Ich bin ihm jedenfalls sehr dankbar für seinen Rat. Nach allem, was ich gelesen habe, sind Burkes Gorillas ein ideales Beobachtungsobjekt. Eine isolierte Gruppe von Tieren mit Verhaltensmustern, die sie nicht von anderen übernommen haben.« Er zögerte, dann sagte er: »Weiß man schon Genaueres über die Hintergründe seines Verschwindens?«
    »Leider nein«, sagte Amy. »Die Sache ist ziemlich mysteriös. Wir haben bis heute nicht in Erfahrung bringen können, was da oben im Ruwenzori eigentlich vorgefallen ist. Will war mit zwei Studenten unterwegs, als ein mächtiger Sturm aufzog. Das Gewitter muss furchtbar gewesen sein. Wir sahen es nur aus der Ferne. Es war unmöglich, eine Funkverbindung aufzubauen. Als der Sturm vorüber war, herrschte Totenstille. Wir haben es wieder und wieder versucht, auf allen Kanälen. Ohne Erfolg. Als nach einem Tag immer noch keine Rückmeldung kam, schnappte ich ein paar Leute und fuhr hinauf. Wir fanden das Lager. Es war relativ unbeschädigt, aber von Will und seinen Leuten keine Spur. Wie es aussah, waren sie kurz vorher ausgeflogen und hatten es wetterfest gemacht. Es fehlten etliche Ausrüstungsgegenstände sowie einiges an Proviant, so dass wir davon ausgehen mussten, dass sie zu
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