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Korona

Korona

Titel: Korona
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Wunsch abzuschlagen wäre, als würde man dem lieben Gott einen Gefallen verweigern. Es blieb zwar ein Rätsel, was an Cox so besonders war, aber der Gedanke tröstete sie, dass Whitman wusste, was er tat. Senil war er schließlich nicht. Hoffentlich.
    Amy verließ die Hauptstraße und bog in eine Seitenstraße ab. Nach einer kurzen Fahrt über die holprige und schlecht geteerte Piste sah sie das
Kampala International Hospital,
ein langgestrecktes dreistöckiges Gebäude, das leuchtend weiß und mit blauem Wellblechdach in den Himmel ragte. Hierhin waren die Passagiere der Linienmaschine zur Untersuchung und Behandlung gebracht worden. In den Nachrichten war nichts über den Grad der Verletzungen durchgesickert, und am Telefon hatte man ihr jede Auskunft verweigert. Amy konnte nur hoffen, dass ihr Neuzugang transportfähig war.
    Sie fuhr an dem Wärterhäuschen vorbei auf den Besucherparkplatz und stellte den Motor ab. Sie schnappte ihren Ausweis und die Mappe mit Dokumenten, die bestätigten, dass Cox in einem Arbeitsverhältnis zu ihr stand, und verließ die klimatisierte Oase ihres Wagens.
    Die schwüle Luft schlug ihr entgegen wie ein Brett. Die Arbeit in den Bergen hatte sie vergessen lassen, wie warm es in der Ebene war. Die Luft war erfüllt vom Duft eines nahen Rosenbusches. Vom See her kamen einige Papageien geflogen, die zeternd das Hauptgebäude des Krankenhauses umkreisten und dann, nur wenige Meter entfernt, auf einem Eukalyptusbaum landeten.
Erdbeerköpfchen,
entschied sie nach kurzem Hinsehen. Eine hier am Victoriasee weitverbreitete Kleinpapageienart.
    Sie prüfte, ob das Auto verschlossen war, und schlug dann den Weg in Richtung Haupteingang ein.

2
    D er Mann war groß, breitschultrig und erschreckend blass. Nicht als Folge des Unfalls, wie die Biologin mit schnellem Blick feststellte, sondern aufgrund eines latenten, um nicht zu sagen
jahrelangen
Mangels an Sonnenlicht. Er trug dreiviertellange schwarze Hosen, darüber ein altes Sex–Pistols-T-Shirt. Die kräftigen Oberarme waren tätowiert und von einer Vielzahl blauer Flecken entstellt. Sie konnte nicht erkennen, wo die Hämatome aufhörten und die Tätowierungen begannen. So genau wollte sie es auch gar nicht wissen. Die Prellungen sahen frisch aus und standen vermutlich in direktem Zusammenhang mit dem Unglück. Ganz anders als die Nase, die mehrfach gebrochen und ziemlich schief in seinem Gesicht festgewachsen war. Sein Kopf war kahl, sah man mal von einer Schicht dunkler, etwa zwei Millimeter langer Stoppelhaare ab, die von etlichen Narben durchkreuzt wurde.
    Er begrüßte sie mit einem seltsamen Lächeln, bei dem man nicht wusste, ob es Freude oder Verachtung ausdrückte. Während sein Gesicht so ziemlich dem entsprach, was Amy von einem Zuchthäusler erwartete, wirkten seine Augen wie zwei Fremdkörper. Sie waren blau, von der Farbe klarer Bergseen. Ruhig und intelligent blickten sie sie an, wobei sie eine Neugier und Intensität ausstrahlten, die sie unwillkürlich an ihren Vater erinnerte. Nur er hatte solche Augen gehabt.
    Mit einem beherzten Schritt trat sie auf den Mann zu. »Hallo. Mein Name ist Walker«, sagte sie. »Amanda Walker. Ein schrecklicher Name, wie ich finde, aber was soll man machen?« Sie lachte verlegen. »Man kann ihn ja nicht zurückgeben, wie ein fehlerhaftes Kleidungsstück, nicht wahr?« Sie streckte ihm die Hand hin. »Nennen Sie mich Amy, das tut sowieso jeder. Im Camp reden wir uns mit Vornamen an, das ist in der Branche so üblich. Aber das wissen Sie ja vermutlich, schließlich sind Sie ja auch …«
Biologe
wollte sie sagen, doch sie verstummte. Der Mann mochte alles sein, aber er war gewiss kein Naturwissenschaftler. Schon seit über zehn Jahren nicht mehr.
    Ehe sie reagieren konnte, schnellte seine Pranke vor und ergriff ihre Hand. Sie bereitete sich innerlich auf einen schmerzhaften Händedruck vor, doch sein Griff war überraschend sanft.
    »A …man …da.« Cox ließ die Silben durch den Mund gleiten wie ein Pfefferminzbonbon. Seine Stimme war tief und angenehm und er sprach mit weichem irischen Akzent.
    »Gefällt mir.«
    »Ich würde mich trotzdem freuen, wenn Sie mich Amy nennen.«
    Cox runzelte die Stirn. »Hm?«
    »Ach, egal.« Ihr Lächeln verblasste. Das konnte ja noch heiter werden.
    »Sie können Ihre Sachen packen«, sagte sie. »Der behandelnde Arzt hat mir gesagt, dass Sie transportfähig sind. Er hat mir diese Papiere zum Unterzeichnen mitgegeben.« Sie legte ein Formblatt mit zwei
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