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Korona

Korona

Titel: Korona
Autoren: Thomas Thiemeyer
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in einem pulsierenden Rhythmus in die Grenzschicht ein und wurde von ihr wieder abgestoßen. Er schien mit sich zu ringen, ob er den Menschen folgen oder lieber die Flucht antreten sollte. Für einen Moment kam es Ray so vor, als würde er sich für den friedlichen Abzug entscheiden. Doch plötzlich änderte er sein Vorhaben und stürzte sich in das Energiefeld. Sein Wutschrei übertönte sogar das infernalische Zischen des Portals. Mit weit erhobenen Armen kam die Kreatur auf ihn zu, ihr Gesicht eine Fratze des Hasses. Ray hob schützend die Hände über den Kopf. Der Namenlose hob seinen Arm. Das Wurzelgeflecht zu einer Kralle aus scharfkantigen Dornen geformt, schlug er zu. Ray spürte im Geiste den furchtbaren Schlag, hörte das Bersten seines Schädels, fühlte das Brechen seiner Knochen – doch nichts geschah.
    Es war, als wäre die Zeit stehengeblieben. Der Körper seines Widersachers wirkte wie eingefroren, während er von einer unerklärlichen Macht in die Länge gezogen wurde. In der Bewegung verharrend, wurde er von kosmischen Energien gepackt, in die Länge gezerrt und durch Zeiten und Räume jenseits der Vorstellungskraft geschleudert. Ray spürte, wie die Energie auch ihn packte und durch den Äther schleuderte. Wieder sah er einander überlappende Bilder – eine kinematographische Projektion einzelner Bilder –, dazwischen kurze Ausblicke auf Fragmente interstellarer Nebel und pulsierender Galaxien. Ein Kaleidoskop von Farben und Formen, das alle menschliche Vorstellungskraft sprengte. Ray spürte sein Bewusstsein schwinden, doch er zwang sich, wach zu bleiben. Mit allem, was ihm an Kraft noch geblieben war, setzte er sich zur Wehr. Er musste den Elementen trotzen, und wenn es das Letzte war, was er tat. Er schloss die Augen. Sein inneres Zentrum wurde zu einem hellen Kern in der Mitte seines Bewusstseins. Wie eine Sonne loderte es und schenkte ihm Kraft. Nur nicht ohnmächtig werden, schrie er.
    Das Brausen und Zischen war auf ein Maß jenseits des menschlichen Hörvermögens angeschwollen. Jede Zelle seines Körpers kämpfte um Erlösung, doch der Alptraum wollte kein Ende nehmen. Die Kräfte, die auf ihn einwirkten, waren unvorstellbar. Immer tiefer wurde er in den Schacht aus Licht und Bewegung hinabgerissen, immer schneller wirbelten die Bilder um ihn herum, doch das Feuer wies ihm den Weg. Unbeirrbar wie ein Leuchtturm am Ende der Welt leitete es ihn durch den Höllenschlund.
    Als er spürte, dass er der Ohnmacht nichts mehr entgegenzusetzen hatte, entdeckte er einen schwarzen Fleck inmitten der Sonne. Erst zirkulierte er ein wenig auf der Oberfläche, dann wurde er rasch größer. Er war von so allumfassender Schwärze, dass es unmöglich war, Einzelheiten zu erkennen. Langsam schwoll er an, bis er das Licht der Sonne auslöschte. Eine betäubende Stille breitete sich aus, dann schlug er die Augen auf.

79
    E ine überirdische Helligkeit verwandelte die Nacht zum Tag.
    Donnerschläge zerrissen die Luft.
    Richard schrie vor Überraschung auf. Er taumelte ein paar Schritte rückwärts, stolperte und stürzte in den Schnee.
    Vor dem Eingang der Pyramide war ein Zentrum reinster Energie entstanden. Blaue Entladungen zuckten in alle Richtungen und ließen das Gebäude in einem übernatürlichen Licht erstrahlen. Vor dem Haupteingang war eine Art Kugel, aus der ein Geäst feinster Ströme über den Boden zuckte, das den Schnee auf der Stelle verdampfen ließ.
    Die versammelten Gorillas stießen ein dumpfes Stöhnen aus, behielten aber ihre kreisrunde Formation bei. Nur einige der jüngeren Primaten zogen sich in Gefolgschaft ihrer Mütter ein Stück weit zurück. Die Männchen, Silber- wie Schwarzrücken, blieben mit wütend gebleckten Zähnen stehen und gaben keinen Zentimeter Boden preis.
    Eine Woge von Ozon schlug den Forschern ins Gesicht. Ein heißer Wind war aufgekommen, der direkt dem Zentrum der Kugel zu entspringen schien. Die Helligkeit war so intensiv, dass ihre Sehzellen zu verschmoren drohten. Richard kniff die Augen zusammen und versuchte, hinter vorgehaltener Hand Einzelheiten auszumachen.
    »Könnt ihr etwas erkennen?« Seine Stimme klang dünn und kraftlos angesichts des orkanartigen Brüllens, das aus der Kugel drang.
    »Ich weiß nicht!«, schrie Agnes. Ihre Haare flatterten wie schwarzer Rauch im Wind. »Ich erkenne ein paar schwache Silhouetten im Kern, dort, wo die Helligkeit am größten ist. Keine Ahnung, was das ist.« Sie deutete auf das Zentrum der Kugel, das mit der
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