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Korona

Korona

Titel: Korona
Autoren: Thomas Thiemeyer
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dass es Dinge gab, an denen er seinen Freund aus Kindertagen wiedererkannte. Die Art, wie er seinen Kopf hielt. Das Vorbeugen des Oberkörpers. Auch in der Stimme lag etwas Vertrautes. Die kurze, abgehackte Art zu sprechen. Die Reduktion aufs Wesentliche. Und dann diese Augen.
    Die Kreatur hatte ihren Standort noch immer nicht geändert. Wie verwurzelt stand sie da und sah auf ihn herab.
    » WARUM BIST DU MIR GEFOLGT ?«
    In seinen Augen loderte Hass.
    Noch immer konnte Ray kein Wort herausbringen. Die unwirkliche Umgebung machte es schwer, seine fünf Sinne beisammenzuhalten.
    » WARUM BIST DU MIR GEFOLGT ?« Das Wesen wiederholte seine Frage. Es hatte keinen Sinn zu lügen. Will kannte ihn gut genug. Er würde erkennen, wenn er die Unwahrheit sagte. Ray hob sein Kinn und sagte: »Um dich zu töten.«
    » AH .« Das Wesen stand auf. » WENIGSTENS BIST DU EHRLICH !«
    Es besann sich einige Sekunden, dann fragte es: » UND DANACH ? WAS WOLLTEST DU DANACH TUN ? HEIMKEHREN ?«
    Ray senkte den Kopf.
    » NUN ?«
    Rays Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich weiß nicht. Vielleicht sterben.«
    » STERBEN ?« Die Kreatur stieß ein Zischen aus, dann beugte sie sich vor. Ihr Gesicht war nur einen knappen Meter von Rays entfernt. » DEN WUNSCH KANN ICH DIR ERFÜLLEN !«
    »Wage es nicht, ihn anzurühren!« Wie aus dem Nichts war Amy hinter ihnen aufgetaucht.
    Die Kreatur fuhr auf.
    Das Haar von Regen durchtränkt, ihre Kleidung klatschnass, trat die Biologin neben Ray und ergriff seine Hand. Ihr Gesicht war emporgereckt, ihr Kinn stolz vorgeschoben.
    »Wie kannst du es wagen, nach allem, was du ihm angetan hast.« Ihre Stimme war schneidend wie eine Diamantklinge. »Wie kannst du es wagen, ihn auch nur anzusehen?« Ihre Augen blitzten wie die einer Furie. Sie schien keinerlei Angst zu verspüren.
    Jetzt erschienen auch Karl und Mellie.
    Eine Kaskade von Blitzen schlug unweit von ihnen in die Erde. Ohrenbetäubendes Krachen erfüllte die Luft. Der Boden erzitterte unter ihren Füßen. Das Zentrum des Gewitters war jetzt direkt über ihnen. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck wandte Ray sich seinem alten Widersacher zu. So ruhig und beherrscht wie möglich sagte er: »Wenn du nicht vom Zeitstrom erfasst werden willst, solltest du jetzt besser gehen.«
    » WAS REDEST DU DA ?«
    »Es kann sich nur noch um Augenblicke handeln, dann reißt die Energie der beiden Sonnen ein Loch in die Raumzeit und schleudert uns an unseren Ursprungsort zurück. Wenn du also in dieser Welt bleiben willst, solltest du lieber verschwinden.«
    » DU ERBÄRMLICHER WURM . ICH WERDE DICH IN STÜCKE REISSEN !«
    Ray ließ sich nicht einschüchtern. »Deine Drohungen schrecken mich nicht«, sagte er. »Es ist wahr, ich kam hierher, um dich zu töten. Ich wollte Vergeltung für das, was du mir angetan hast. Doch jetzt, da ich dich gesehen habe, empfinde ich nur noch Mitleid für dich.« Er griff in seine Tasche und zog ein Paar Lederhandschuhe heraus. Die Augen der Kreatur verengten sich. Ray hob sie hoch. »Erkennst du sie wieder? Es sind deine.« Er schleuderte sie der Kreatur vor die Füße. »Nimm sie, ich will sie nicht mehr. Ich habe sie Tag und Nacht bei mir getragen, damit sie mich immer an das erinnern, was damals geschehen ist. Jetzt will ich sie nicht mehr. Nimm sie. Geh zurück zu deinesgleichen und mach deinen Frieden mit dir. Ich habe meinen gefunden.«
    Ein plötzlicher Blitzschlag zerriss die Stille. Funken regneten von den Bäumen. Ray fühlte ein Zerren und Kribbeln in den Gliedern. Es konnte keinen Zweifel mehr geben: Das Portal begann sich zu öffnen.
    Burke blickte in die Runde. Seine Augen zuckten hin und her. Lichter flirrten über die regennassen Bäume. Einer der Funkenströme kroch an ihm hoch und sauste über seinen Arm. Wie von der Tarantel gestochen sprang er zurück. Ein keuchendes Zischen drang aus seiner Kehle. Wellen gleißenden Lichts wogten über den Boden. Schmerzhaftes Sirren und Rauschen erfüllte die Luft. Ein Wind kam auf, der alles und jeden mit sich zu reißen drohte. Eine Welle von Ozon spülte über sie hinweg. Ray rang nach Atem. Tränen schossen ihm übers Gesicht.
    Dann war es so weit.
    Mit einem Brüllen öffnete sich das Portal.
    Es war, als wären alle Höllenpforten zugleich aufgestoßen worden. Eine unglaubliche Hitzewelle brach über sie herein. Aus den Augenwinkeln sah Ray den Körper des Namenlosen unkontrolliert hin und her zucken. Er stand an der Grenze des Ereignishorizonts. Sein Körper drang
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