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Korona

Korona

Titel: Korona
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Mellie und Karl aus der Gefahrenzone zu ziehen. In diesem Moment geschah etwas Erstaunliches. Leonidas, der bisher still und ruhig bei seiner Sippe gesessen hatte, war aufgestanden und kam zu ihnen herüber. Der mächtige Gorilla steuerte schnurstracks auf K’baa zu.
    Die beiden Primaten sahen einander lange Zeit an. Dann hoben sie ihre Hände und berührten einander mit den Fingerspitzen. K’baa senkte den Kopf und stieß eine Reihe von Grunzlauten aus. Leonidas strich über seinen Kopf und stieß ein brummendes Geräusch aus. Dann drehte er sich um, nahm eines der Weibchen bei der Hand und ging mit ihr langsam auf das Portal zu. Es gab ein Leuchten und ein Knistern – dann war er weg. Einfach verschwunden.
    »Was …?« Richard war wie gelähmt.
    Die Gorillas wurden unruhig. Einer nach dem anderen standen sie auf und sammelten sich. Von überall aus dem Wald kamen sie herbei, nur mit einem Ziel: um in einer langen, stummen Prozession ins Licht zu wandern.
    Der Anblick war so unwirklich, dass es Richard die Sprache verschlug. Eigentlich hätte er etwas unternehmen müssen – schreien, in die Luft schießen, irgendetwas –, aber er konnte nicht. Er konnte nur mit herunterhängender Kinnlade zusehen, was vor seinen Augen geschah.
    Einer nach dem anderen traten die mächtigen Tiere ins Licht und verschwanden. Alte, Junge, Männchen und Weibchen. Sie alle wurden von dem Portal erfasst und durch die Ewigkeit katapultiert. Sie schienen überhaupt keine Angst zu verspüren, im Gegenteil. Leise und in froher Erwartung verließen sie diesen Ort, diesen Wald und diese Welt und wechselten zu diesem fernen Ort, weit weg auf der anderen Seite.
    »Um Himmels willen«, flüsterte Agnes. »Sie gehen alle fort.«
    »Ja, das tun sie«, sagte Ray. »Und wer könnte es ihnen verdenken? Sie haben in dieser Welt nur Leid und Elend erfahren. Ihre Welt wurde von uns zerstört, ihre Familien ermordet, ihr Lebensraum bis auf ein paar Inseln vernichtet. Warum sollten sie bleiben?«
    »Guter Punkt«, flüsterte Parker.
    Jetzt erhob sich auch K’baa. Mit den Händen formte er so etwas wie Gehörlosensprache. Ray erwiderte die Gesten.
    »Was ist denn los?«, fragte Richard. »Irgendein Problem?«
    »Kein Problem«, erwiderte Ray. »K’baa hat mir nur gerade mitgeteilt, dass jetzt die Zeit für den Abschied gekommen ist. Er möchte durch das Portal, solange es noch möglich ist.«
    »Verständlich«, sagte Richard. Er legte den Kopf schief. »Sonst noch etwas?«
    »Allerdings.« Der Ire hatte seine Hand sanft auf die Schulter des Primaten gelegt und blickte seinen menschlichen Freunden fest in die Augen. »Ich werde ihn begleiten.«

81
    A my hob den Kopf. »Du willst
was?
«
    Eine betretene Stille kehrte ein. Nur das Sirren des Portals war zu hören.
    »Wiederhol das noch mal.«
    Ray warf ihr einen traurigen Blick zu. »Ich sagte, ich werde ihn begleiten. K’baa ist mein Freund. Ich werde den G’ombe bei ihrem Kampf gegen die Kitarer beistehen.«
    »Aber …«
    »Ich weiß, wie sich das anhört, aber ich habe mir diesen Schritt gründlich überlegt.«
    »Du willst bei den G’ombe leben?« Amy war immer noch nicht sicher, ob sie Ray richtig verstanden hatte. Andererseits, sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er es ernst meinte.
    »Warum …?« Tränen wollten ihr in die Augen schießen, doch sie wehrte sich beharrlich dagegen. Trotzig hob sie das Kinn.
    »Ich dachte, du hättest dich entschieden, bei uns zu bleiben, in unserem Team … bei mir.« Die letzten Worte waren kaum mehr als ein Schluchzen. Ray legte seine Arme um sie.
    »Du bist der einzige Grund, warum ich überhaupt hierher zurückgekommen bin. Ich wollte sichergehen, dass du wohlbehalten wieder in deine Welt kommst und ich die nötige Zeit habe, mich von dir zu verabschieden. Tut mir leid, dass es jetzt doch so knapp wird.«
    »Aber warum?« Amy fühlte, dass eine Mischung aus Wut und Enttäuschung sie zu überwältigen drohte.
    »Der Gedanke, drübenzubleiben, ist mir schon viel früher gekommen«, sagte er. »Durch irgendeine wundersame Fügung hat mir die Schöpfung einen neuen Weg gewiesen. Ich habe drüben etwas gefunden. Etwas, womit ich nie gerechnet hätte:
Vergebung.
Meine Wut, mein Zorn, mein Hass, sie sind weg, einfach verschwunden. Als hätte jemand die Mauer am Ende der Straße entfernt. Ich kann den Weg wieder sehen.«
    »Und der einzige Weg führt dort hinein?« Sie wischte über ihre Augen. »Das ist traurig.«
    »Ich erwarte
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