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KopfKissenKino - Hinterhaeltig Unerwartetes

KopfKissenKino - Hinterhaeltig Unerwartetes

Titel: KopfKissenKino - Hinterhaeltig Unerwartetes
Autoren: Peter J. Scholz
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später, wo genau ich bin.
    Noch rund zweihundert Meter und man erreicht den Nor dfriedhof der Stadt.
    Die letzten Wohnungen wurden mit einem gewissen Abstand zu ihm errichtet – so als wollte man zw ischen Tod und Leben eine Kluft lassen.
    Doch das wahre Leben hat andere Pläne.
    Nach der letzten Flut kamen einige Särge an die Oberfläche. Der gestiegene Grundwasserspiegel hier auf dieser Seite der Stadt, wo in nicht allzu geringer Entfernung der Fluss sein Bett hat, hat dafür gesorgt, dass der Nordfriedhof geschlossen wurde.
    Und man die Särge der Verstorbenen umbettet.
    Die Aktion läuft nun schon mehrere Wochen.
    Und sie wird noch andauern.
    Mich schreckt kein Friedhof.
    Und die Geister , die ich in meinem Leben schon rief, dürften von anderem Kaliber sein, als die hier zur Ruhe gekommenen.
    So ramme ich meine Hände in die Taschen meiner Jacke und schlendere mittenmang auf der Straße dem Friedhof entg egen.
     
    Nochmals kommt der Gedanke an meinen derzeitigen Auftrag. Was wäre, wenn ich vom Vertrag zurücktrete? Der Anwalt meines Ichs lenkt ein, dass da ja schon eine Summe Geldes geflossen ist, die ich auch schon ausgegeben habe. Zurückzahlen!
    Ich mache es mir einfach.
    10.000 Euro?, hakt mein innerer Anwalt nach. Wo auf deinem Konto bis du denn auf einmal so flüssig?
    Der vierwöchige Trip nach Kanada. Mist!, denke ich.
    Und bin in dem Moment am Haupttor vom Nordfriedhof angekommen.
    Ich umfasse die Metallstäbe des großen Tores mit beiden Händen und starre auf die andere Seite der Nacht. Meine Armbanduhr zeigt 02 :29 Uhr.
    Hier stehe ich – auf der Seite der Lebenden.
    Innerlich mehr tot als lebendig.
    Wie lebendig würde ich mich auf der anderen Seite fühlen?
    Käme das auf einen Versuch an?
    Versuch. Versuch. Versuchung.
    In meinem Kopf herrscht ein wenig Aufruhr, so als wolle er sich an etwas erinnern, das ihm laufend entschlüpft, um nicht gedacht zu werden.
    Der Gedanke muss sich nicht weiter sorgen.
    Ein Geräusch lässt mich herumfahren.
    Eine Katze läuft über die Straße und hinter ihr steht ein Bus.
    Das ist … ungewöhnlich!, denke ich.
    Denn ich habe den Bus nicht gehört.
    Ebenso geräuschlos wie er gekommen und gehalten hat, öffnen sich seine Türen.
    Menschen jeden Alters treten heraus.
    Alte, junge, Mittelalte. Ihnen gemeinsam ist, dass sie nichts gemeinsam haben. Ihre Bekleidung und ihre Frisuren decken die verschiedensten Jahrzehnte der Vergangenheit ab. Doch keiner von ihnen scheint auf irgendeine Weise maskiert. Jeder trägt seine Bekleidung so, als gehörte sie zu ihm, so als wären sie eins.
    Und das erscheint auch richtig so.
    Ein kleiner Junge von vielleicht sieben Jahren, der ein T-Shirt trägt, auf dem die deutschen Maskottchen „Tip“ und „Tap“ der 1974er Fußball-WM abgebildet sind, erwidert meinen Blick.
    Zuerst überrascht, dann erschrocken.
    Er hebt die Hand, winkt mir zu, während die übrigen Personen rechts und links an mir vorüberziehen.
    Ich winke zurück.
    Seine Hand bleibt oben, stellt das Winken ein.
    „Er kann uns sehen!“, ruft er.
    Ich höre ihn klar und deutlich.
    „Natürlich! Ich bin ja nicht blind!“, antworte ich ihm.
    Die anderen bleiben stehen.
    Starren mich nun auch an.
    „Wie machen Sie das?“ Vier Worte gleichzeitig gesprochen in einem vielstimmigen Chor.
    Ich merke, wie mich die Situation zusehends ve rwirrt. Da hier offensichtlich etwas vor sich geht, das ich nicht verstehe, werde ich ärgerlich.
    „Wie mache ich was?“, blaffe ich den Jungen und e igentlich alle Umstehenden an.
    „Eben das hier!“
    Jetzt ist es nur noch eine Stimme.
    Männlich, ruhig , aber mit Nachdruck.
    Ein Mann, Ende Fünfzig schätzungsweise, in einem Frack , der zwischen klassisch und völlig gestrig changiert, tritt rechts an mir vorbei und stellt sich neben den Jungen, der mich jetzt böse anfunkelt.
    „Wie „das hier“? Ich rede und Sie hören zu. Nennt sich Ko mmunikation! Kennen Sie vielleicht!“, antworte ich gereizt.
    Der distinguiert wirkende Herr zieht die Augenbra uen nach oben: „Das meine ich nicht, mein unbekannter aufgebrachter junger Freund. Aber um uns zu sehen und zu hören, müssten sie von Rechts wegen tot sein!“
    Ich höre seine Worte, sehe sein Gesicht und irgen dwas in meinem Kopf macht einen Sprung, dem ich nicht bereit bin zu folgen…
    …zumindest nicht sofort.
     
    KLATSCH!
    Es brennt in meinem Gesicht.
    KLATSCH!
    Das Brennen nimmt zu.
    KLATSCH!
    Das Brennen wird rot und reißt die Schwärze
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