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Kontrollpunkt

Kontrollpunkt

Titel: Kontrollpunkt
Autoren: David Albahari
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Es sei auf alle Fälle besser, wenn nur ein Mann die Aufgabe ausführe. In früheren Zeiten sind viele Expeditionen gescheitert, sagte der Kommandant, nur weil deren Leiter sich unnötigerweise um zu viele Expeditionsteilnehmer kümmern musste, einschließlich der Köche, der Hundetreiber, der Eingeborenen und der Masseure. Er schlug dann vor, Mladen selbst zu fragen, ob er Begleiter für nötig halte. Wenn man ihn schon frage, sagte Mladen, ein Helfer sei manchmal willkommen, aber in diesem Fall wäre es besser, wenn er allein ginge. Er würde schneller und effizienter sein und nicht von dem Gedanken belastet, was er unternehmen solle, falls sein Begleiter verwundet oder, Gott bewahre, getötet oder, noch schlimmer, gefangen und in ein Lager gesteckt würde. Wenn dem so sei, solle er sich bereit machen, sagte der Kommandant, und sobald er fertig sei, könne er aufbrechen. Denn je schneller wir die Wahrheit über diese Häuser herausfänden, umso schneller würden wir vielleicht unseren Auftrag zu Ende führen. Einigen Soldaten war jedoch aufgefallen, dass es Unstimmigkeiten gab zwischen den früheren Äußerungen des Kommandanten und seiner überraschenden Geschichte von dem Stausee, die dazu noch vom Wedeln mit einer unbekannten Landkarte begleitet wurde. Woher komme das alles jetzt, wollten diese, und nicht nur diese Soldaten wissen. Es gehe nicht an, dass der Kommandant in einem Augenblick etwas nicht wisse und im anderen so darüber rede, als sei er der beste Kenner historischer und anderer Ereignisse. Dann verstummten alle, denn Mladen erschien vor der Baracke. Obwohl es noch lange nicht dunkel war, hatte er sich das Gesicht schwarz angemalt, denn nichts könne einen so leicht verraten, sagte er, wie der Widerschein des Mondlichts auf dem Gesicht. Einige Soldaten gingen auf ihn zu und bestürmten ihn, sie mitzunehmen. Mladen verwies sie an den Kommandanten, aber da winkten sie nur ab. Einer sagte sogar, er werde auf Biegen und Brechen mitkommen. Du würdest das Biegen und Brechen in deinem Kopf zu spüren bekommen, sagte Mladen, berührte mit dem ausgestreckten Zeigefinger dessen Stirn und zog an einem imaginären Hahn. Ich komme trotzdem mit, sagte der Soldat, ging schnell seine Sachen holen und ward nie mehr gesehen. Sein Verschwinden wurde erst bemerkt, als Mladen zurück war und fragte, was mit dem aufdringlichen Soldaten geschehen sei, der um jeden Preis mit ihm in den Wald habe gehen wollen. Er habe an ihn gedacht, sagte er, als er in Treibschlamm geraten sei und Probleme gehabt habe herauszukommen, ohne die Stiefel und die Waffen darin stecken zu lassen. Da hätte er alles drum gegeben, wenn dieser Bursche bei ihm gewesen wäre und ihm einfach einen längeren Ast hingehalten hätte, so aber habe er sich selbst helfen müssen. Zum Glück sei das seichter Schlamm gewesen, und er habe es langsam, Stück für Stück, geschafft, den festen, mit Gras bewachsenen Boden zu erreichen. Mladen hob zuerst den einen, dann den anderen Fuß, um uns die Schlammspuren an seinen Stiefeln zu zeigen. Er hatte nur eine Nacht gebraucht, um zu der Stelle zu gelangen, von der die beiden Soldaten berichtet hatten, musste aber bis Tagesanbruch warten, um deren Bericht zu überprüfen. Und, fragte der Kommandant, hatte er was gesehen? Er habe die Häuser gesehen, von denen die Soldaten berichtet hatten, aber kein Rauch quoll aus den Schornsteinen und keine Haustür ging auf. Dafür stand ein Fenster offen, und man konnte sehen, wie ein Vorhang im Wind flatterte. Er habe gewartet, sagte Mladen, bis die Sonne hoch am Himmel stand, aber niemand ließ sich blicken, niemand ging aus dem Haus, kein Haustier verließ den Stall. Erst als er erwog zurückzukehren, erblickte er in einem Hof eine Ente, hinter der in einer geraden Reihe ihre Küken herwatschelten. Die Ente sei an die Tür eines Hauses gekommen, und Mladen konnte sehen, wie sie ihren Schnabel hob und offenbar jemanden zu rufen versuchte, jemanden, der sie, nahm er an, zu dieser Zeit gewöhnlich fütterte. Und das Wasser, fragte der Kommandant, was ist mit dem Wasser, mit dem See? Dort gebe es weder Wasser noch einen See, erwiderte Mladen, das Einzige, was er dort gefunden habe, sei der Tod gewesen. Gerade wegen der Ente, die vergebens versuchte, jemanden zu rufen, beschloss er, zu den Häusern zu gehen und nachzusehen, was sich dort tat. Da es keinen Pfad gab, oder er ihn nicht finden konnte, lief Mladen von der Lichtung aus den steilen Abhang hinunter und überquerte die
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