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Kommt ein Löwe geflogen

Kommt ein Löwe geflogen

Titel: Kommt ein Löwe geflogen
Autoren: Max Kruse
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umgebene Bucht und den Sultanspalast, dessen Dächer in der Sonne leuchteten.

Dreierlei Pantoffeln

    »Es ist ein Geräusch aus der Luft gekommen, das mich an etwas erinnert, was früher einmal auch aus der Luft gekommen ist«, sagte das Kamel. Es lag oben im Schlafgemach des Sultans auf der Ottomane und sog an dem langen Schlauch einer Wasserpfeife. Da es etwas größer war als die Ottomane, ragten seine Füße mit den Hufen, über die es blausamtene, silberbestickte Pantoffeln gezogen hatte, über den Rand.
    Am anderen Schlauch der Wasserpfeife sog der Sultan mit seinem runden Mund. Auch er trug Pantoffeln, aber rotsamtene, goldbestickte.

    Der Sultan entgegnete: »Du hast vortreffliche Ohren. Totokatapi soll uns sagen, was von oben gekommen ist.«
    Er klatschte dreimal vornehm in die Hände, und nach einer Weile betrat Totokatapi das Gemach. Er trug ein grünes seidenes Prunkgewand und grausamtene, bronzebestickte Pantoffeln, was auch sehr vornehm aussah. Auf seinem Kopf türmte sich ein riesiger gelber Turban, dessen verschlungenes Gewebe von einem bronzenen Schmuckstück zusammengehalten wurde. Seine Mundwinkel berührten fast seine Ohrläppchen, so strahlte er.
    »Mein lieber Minister Totokatapi«, sagte der Sultan, »sieh nach, was von oben gekommen ist.«
    »Am besten lasse ich unseren Besuch gleich herein!« sagte Totokatapi, und Dok, Kim, Pips, Wu und Schipp betraten das Gemach des Sultans.
    So schnell waren weder das Kamel noch der Sultan jemals auf ihre Pantoffeln gesprungen.
    »O du dreimal verschlungener Turban!« rief der Sultan.
    »O du allerweisestes Kamel!« rief das Kamel.
    Die Wasserpfeife war keine Wasserpfeife mehr, an deren Schläuchen behagliche Wesen sogen, sondern eine, die einsam vor sich hindampfte und auf deren spiegelndem, blankgeputztem Messingbauch sich seltsam verzerrte Menschen und Tiere umarmten, ans Herz drückten und streichelten.
    Als die erste Wiedersehensfreude vorüber war, sagte der Sultan: »Setzt euch auf den Teppich. Es ist ein ganz besonderer Teppich. Ich verrate es ja nicht jedermann, aber euch kann ich es ruhig sagen: Es ist ein fliegender Teppich. Natürlich fliegt er nur, wenn ich es ihm befehle; ihr könnt euch also unbesorgt niederlassen.«
    »Ja«, sagte das Kamel, indem es gesittet die Vorderhufe vor dem Bauch faltete, »ich habe dem Sultan zu dem Kauf geraten. Es war ein sehr guter Rat, wie ich wohl ganz bescheiden sagen darf. Denn ihr erinnert euch sicher noch daran, daß der Großwesir und seine Helfer unseren Sultan in einen Teppich gewickelt aus dem Haus trugen, bevor ihr ihn befreitet. Nun — wenn das damals schon ein fliegender Teppich gewesen wäre, hätte der Sultan in ihm gemütlich davonfliegen können, eingerollt wie in einen Eierkuchenteig, und die Verschwörer hätten nur dumm hinterhergeguckt.«
    »Das ist in der Tat ein praktischer Teppich!« sagte Dok.

    Jetzt meldete sich Pips. »Wieso ist aber Totokatapi hier? Er ist doch Boy im Grand-Hotel Sultanien gewesen.«
    »Das war keine Stellung für einen Retter des Sultans und Träger des Ordens vom goldenen Turban. Ich habe ihn zu meinem Minister für Angelegenheiten des angenehmen Lebens erhoben.«
    »Und wo ist Löwe?« fragte Pips.
    »Er macht sich nützlich!« sagte das Kamel. »Auch Löwe ist ja ein Träger des Ordens vom goldenen Turban. Wir haben ihn zu unserem Polizeipräsidenten gemacht. Er sorgt für Ruhe und Ordnung. Seit er hier ist, haben es die schlechten Leute und Diebe sehr schwer, denn vor Löwe haben sie alle Angst. Jetzt ist er gerade auf dem Markt, er geht im Basar zwischen den Ständen und Händlern herum und läßt sein wachsames Auge schweifen. Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis er wiederkommt. Denn wir haben es uns angewöhnt, die Angelegenheiten des Tages miteinander zu besprechen. Ich gebe ihm meinen Rat. Später halten wir Audienz ab.«
    »Was ist das?«
    »Da empfangen der Sultan und ich fremde Besucher, die uns verehren.«
    »So ist ja alles gut geordnet«, sagte Dok. »Hoffentlich kommen wir da gelegen. Denn ich habe einen Brief für Totokatapi, der nicht an den Minister für Angelegenheiten des angenehmen Lebens gerichtet ist, sondern an unseren kleinen Freund.«
    »Der bin ich doch trotzdem noch«, sagte Totokatapi.
    »Ich meine einen kleinen Freund, der Boy im Grand-Hotel Sultanien ist und der sich darüber gefreut hätte, das Kaufhaus der kleinen Stadt Irgendwo zu erben.«
    »Wie bitte?« fragte Totokatapi und sah so geistreich aus wie jemand, auf den
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